Wagt Weizen einen neuen Höhenflug?
Dipl.-Ing. agr. S. Linker  sabine.linker@llh.hessen.de
Stand: 25.07.2003


Nässe im Herbst 2002 - Trockenheit und Frost in diesem Frühjahr - Trockenheit seit dem Frühsommer in weiten Regionen in Deutschland wie auch den südlicheren EU-Ländern. Die Folge: Ordentliche Erträge gibt es nur in Norddeutschland, während in Richtung Süd-Osten die Erträge deutlich schmaler ausfallen. Wird die knappere Versorgungssituation steigende Preise nach sich ziehen?

Marktlage

Selten kam so wenig Ware aus der Ernte in den freien Handel wie in diesem Jahr. Die aufnehmende Hand spricht inzwischen von einer noch nie gekannten Geschäftssituation zur Erntezeit.

Die Landwirte verkaufen nur geringe Mengen aus der Ernte heraus und nutzen ansonsten "jeden Millimeter" Lagerraum, um die trocken eingebrachte Ernte einzulagern. Entsprechend wenig Ware kommt ex Ernte an den Markt, so daß der Handel nicht in Schwung kommt.

Das knappe Angebot ist derzeit aus Sicht der Preisentwicklung eher positiv zu bewerten, da die Ernte Wochen früher eingebracht wird als erwartet. Die Verarbeiter sind noch für einige Woche mit Ware eingedeckt, so daß daß von dieser Seite - auf weiter fallende Preise spekulierend - die Marktentwicklung abgewartet wird und kaum Nachfrage aufkommt.

Die Weizenernte in Frankreich wird inzwischen mit 34,2 Mio. t um über 3,0 Mio. t kleiner als im Vorjahr (37,3) eingeschätzt. Auch für Großbritannien wird die Weizenernte mit 14,8 Mio. t um etwa 1,4 Mio. t niedriger als im Vorjahr prognostiziert.

Die Preise entwickeln sich vor dem Hintergrund besserer Weltmarktpreise langsam nach oben. Derzeit liegen die Netto-Kurse bei 115 €/t franko Hamburg bei August-Lieferung. Für September-Liefertermine lassen sich rund 119 €/t franko Seehafen erzielen. Derzeit herrscht noch große Unsicherheit darüber, wie stark die ab dem 31.08.2003 geltenden Maut-Kosten auf die Transportkosten durchschlagen werden.

Die Preise für französischen Mahlweizen zogen in den letzten Tagen kräftig an. Für September/Dezember liegen die Forderungen cif-Niederrhein inzwischen bei 130 Euro/t. In diesem Sog ziehen auch die Notierungen für Futterweizen an.

Fakten

  • Weltmarkt
    Die weltweiten Endbestände entwickeln sich auch nach den neusten Vorschätzungen des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA) rückläufig. Nach der neuesten Prognose vom 11.07.2003 ist davon auszugehen, daß der Verbrauch die Erzeugung inzwischen um über 23 Mio. t übersteigt. Schwer nachvollziehbar ist, warum des USDA den erwarteten Verbrauch für 2003/04 mit nur 584 Mio. t deutlich niedriger als für die letzte Saison ausweist, obwohl die Weltbevölkerung weiter anwächst.

    in Mio. t
    Produktion
    Verbrauch
    Endbestände
    Welt
    Haupt- exporteure
    Welt
    Welt
    Haupt- exporteure
    1999/00
    585,93
    226,70
    591,62
    170,11
    51,93
    2000/01
    583,59
    232,34
    590,11
    168,84
    52,11
    2001/02
    581,08
    205,38
    583,77
    197,97
    44,63

    2002/03

    563,83
    184,69
    596,89
    164,11
    36,58
    2003/04 Prognose vom:
    12.05.2003
    569,52
    222,52
    591,43
    134,46
    34,05
    11.06.2003
    561,45
    221,73
    589,93
    136,61
    37,88
    11.07.2003
    560,30
    224,89
    584,12
    140,29
    42,05
    Hauptexporteure: Argentinien, Australien, EU, Kanada, USA
    Quelle: USDA, Prognose

    Derzeit hat der internationale Markt noch nicht in ausreichendem Maße auf die äußerst enge Versorgungslage mit Brotweizen reagiert. Im Futterweizenbereich ist die Versorgungssituation deutlich entspannter.
    Hausse-Signal

  • EU-Markt
    Die Witterung während der Anbausaison zur Ernte 2003 und die zuletzt extreme Trockenheit in wichtigen Anbauregionen der EU hat die Ernteerwartungen deutlich geschmälert. Die großen Produzenten der EU müssen deutliche Ernteeinbußen in Kauf nehmen.

    in Mio. t
    Weizenproduktion in der EU-15
    Deutsch-
    land
    Frank-
    reich
    Groß-
    britannien
    EU-15
    1999/00
    19,551
    35,463
    16,465
    89,576
    2000/01
    21,578
    35,929
    16,700
    95,553
    2001/02
    22,814
    30,233
    11,573
    83,044
    2002/03
    20,793
    37,314
    16,053
    93,959
    2003/04 Prognose vom:
    28.02.2003
    21,645
    35,975
    15,210
    92,848
    26.06.2003
    20,632
    34,207
    14,800
    89,760
    Quelle: Coceral

    Für den stark Export-orientierten EU-Bereich wird der Bedarf und die Devisenentwicklung am Weltmarkt eine Schlüsselrolle für die inländische Preisentwicklung einnehmen.
    Hausse-Signal

  • Export/Import
    Wie erwartet kauften die Ukraine und Rumänien bereits einige Partien an Brotweizen aus der neuen Ernte 2003, Die Verschiffungen erfolgten über die Seehäfen Hamburg und Rostock. Entsprechend konnten die Preise in Norddeutschland bereits leicht anziehen.
    Hausse-Signal

Prognose
Nach meiner Einschätzung dürften noch während der Erntezeit die Preise für E-, A- und B-Qualitäten weiter anziehen. Der internationale Markt signalisiert derzeit eine sehr freundliche Marktentwicklung. Für die Preisentwicklung im EU-Binnenmarkt wird das Exportgeschäft preisbestimmend sein. Da die "Konkurrenz" aus Osteuropa in dieser Saison als Importeur auftreten wird, steht EU-Weizen international vor allem in Qualitäts- und Preiskonkurrenz zu US- und argentinischem Weizen. Fazit: Während der Zeit des "Erntelochs" sollten aus meiner Sicht Verkäufe vermieden werden. Aus jetziger Sicht könnte bereits im September der heimische Markt einen Höhenflug starten.
 
 
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