Preisboom am Weizenmarkt?

Dipl.-Ing. agr. S. Linker  sabine.linker@llh.hessen.de
Stand: 14.08.2002


Fast flächendeckender Regen und regionale Überschwemmungen haben in weiten Bereichen Deutschlands die Ernteflächen in unbefahrbare Sumpflandschaften verwandelt oder in trüben Wassermassen untergehen lassen.

Marktlage
Die weltweiten Produktionserwartungen werden bei Weizen derzeit laufend zurückgenommen. Während in Teilen der USA und Kanadas die Ernte auf dem Halm verdorrt, wurden weite Regionen der EU durch sintflutartige Niederschläge heimgesucht.

Große Unsicherheit prägt derzeit unsere Märkte. Klar ist, daß die Ernte in Deutschland deutlich kleiner und qualitativ schlechter ausfallen wird. Unklar ist jedoch noch, wie hoch die quantitativen und qualitativen Einbußen letztendlich ausfallen werden. Man kann jedoch bereits jetzt absehen, daß die Qualitäten nicht nur durchschnittlich schlechter ausfallen werden, sondern auch regional sehr stark auseinanderlaufen.

Aufgrund der weltweiten wie auch regionalen Ernteentwicklung legten die Weizenkurse in den letzten Tagen an den Kassa- wie auch den Warenterminmärkten deutlich zu. In den USA hat sich Weizen zwischenzeitlich zum Boom-Markt entwickelt.

Fakten

  • Mit der Veröffentlichung der neuesten Prognose des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA) vom 12.08.2002 erhielten die internationalen Märkte das lange erwartete Signal für einen rasanten Preisauftrieb. Das USDA schätzt die weltweite Produktion 2002/03 jetzt nur noch auf 572 Mio. t, nachdem die Erwartung im Juli noch bei 581 Mio. t gelegen hatte.

    Aufgrund der regional äußerst ernsten Dürre wird für die USA, Kanada und Australien eine erheblich geringere Produktion erwartet. Das USDA prognostiziert jetzt für den amerikanischen Markt Erzeugerpreise in Höhe von 11,76-13,96 US-Dollar/dt Weizen, nachdem die Erwartungen im Juli noch zwischen 10,10-12,31 US-Dollar/dt lagen. Das sind 1,65 US-Dollar/dt bzw. umgerechnet nach derzeitigen Dollarkurs 1,69 Euro/dt mehr als noch im Juli erwartet.
    Hausse-Signal


  • Nach Pressemitteilungen wurde der russische Hafen Noworossijsk am Schwarzen Meer aufgrund der niederschlagsbedingten Überschwemmungen für Getreide und andere Exportgüter auf unbestimmte Zeit geschlossen. Somit ist unklar, ab wann wieder Verschiffungen aus der osteuropäischen "Kornkammer" möglich sein werden. Unklar ist derzeit noch, in welchem Ausmaß die Ernte durch die sintflutartigen Niederschläge beeinträchtigt wurde.
    Hausse-Signal
  • Weite Teile der USA warten immer noch auf ergiebige Regenfälle. Betroffen sind auch Gegenden in den Hauptanbaugebieten der USA. Die Pflanzenbestände sollen regional außerst schlechte Erträge erwarten lassen.
    Hausse-Signal
  • Große Gebiete im Osten Kanadas werden derzeit von der schlimmsten Dürre seit 130 Jahren heimgesucht. Das Vieh verhungert und Rauhfutter aus dem Westen wird per Bahn in den Osten verladen und dort verlost. Zudem scheint auf Bereiche Kanadas jetzt zusätzlich eine Heuschreckenplage zuzukommen.
    Hausse-Signal
  • Der Monsoon-Regen in Indien geht seinem Ende entgegen. Bis auf die nördlichen Regionen, fiel der Monsoon rund 30 % geringer aus als in Normaljahren, so daß sich die Anbaubedingungen enorm verschlechtert haben. Mit einem steigenden Importbdarf ist zu rechnen.
    Hausse-Signal

  • Die Ernteerwartungen für Australien werden seit Wochen laufend nach unten korrigiert. Inzwischen werden nur noch 17,1 Mio. t erwartet, nachdem in den vorausgegangenen Jahren die Ernten in der Regel über 22 Mio. t lagen.
    Hausse-Signal

  • Die bisher sehr hoch liegenden Ernteerwartungen für die EU wurden inzwischen deutlich nach unten korrigiert. Die Ernte in Frankreich soll qualitativ recht gut ausgefallen sein. Da jedoch ein großer Teil der französischen Backweizen-Ernte in den Drittlandsexport geht, dürfte der Angebotsdruck auf den deutschen Markt kleiner ausfallen als in den Vorjahren.
    neutral

  • In Deutschland soll der Weizenanbau nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mit 3,02 Mio. ha rund 4 % über dem Vorjahresergebis (2,897 Mio. ha) liegen. Deutliche Reduzierungen bei der Erntemenge sind aufgrund der Regenfälle und Überschwemmungen jedoch zu erwarten. Hohe Trocknungskosten machen zudem Preisanhebungen unumgänglich. Die Qualität hat regional stark gelitten, so daß gute Backqualitäten zurückgehalten werden.
    Hausse-Signal

Prognose
Die Märkte scheinen derzeit zu drehen. Seit Monaten ist bekannt, daß die globalen Endbestände aufgrund des wachsenden weltweiten Verbrauchs beständig abnehmen. Bisher haben die Märkte diesem Risikofaktor kaum Rechnung getragen. Infolge der aktuellen Erntesituation scheinen die Marktbeteiligten in Windeseile einer Preiskorrektur nachkommen zu wollen.

Nach meiner Meinung sollte qualitativ schlechterer Weizen verkauft werden, wenn der gebotene Preis der neuen Angebotssituation entspricht. Hier gehe ich für die nächsten Wochen, von eher stabilen bis nur leicht verbesserten Preisen aus, da das Angebot recht umfangreich sein dürfte.

Bei qualitativ gutem bis sehr gutem Backweizen solle aus meiner Sicht, die Entwicklung der nächsten Tage unbedingt abgewartet werden. Ich erwartet deutliche Preisanhebungen, da nicht nur für die Inlandsverarbeitung und den EU-Markt entsprechende Ware unbedingt benötigt wird. Auch der Exportmarkt dürfte für EU-Ware zu einem höchst interessanten Absatzbereich werden und entsprechende Ventilfunktion für das trotz der Ernteeinbußen noch immer große EU-Angebot eröffnen.

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