Weizen: Unsicherheit bei Ernteerwartungen
Dipl.-Ing. agr. S. Linker  sabine.linker@llh.hessen.de
Stand: 13.06.2003


Regional werden in Deutschland und EU-weit Produktionseinbußen durch Auswinterung und Trockenheit erwartet. Dennoch können die Kurse für "alten" 2002er Weizen nur einen geringen Preisauftrieb verzeichnen.

Marktlage

Noch ist es zu früh, um sichere Aussagen zu den Ernteerwartungen 2003 zu tätigen. Sicher ist jedoch, daß die Ernte in Osteuropa deutlich geringer als im letzten Jahr ausfallen wird und die internationalen Endbestände weiter rückläufig sein werden.

Restpartien aus der 2002er Ernte werden derzeit auf einem Preisniveau von 110 €/t franko Seehafen für den Liefertermin Juni/Juli 2003 gehandelt. Für Futterweizen werden Preise von 109 €/t franko Mischfutterwerk bezahlt.

Neuerntiger 2003er Weizen spielt derzeit am Markt kaum eine Rolle. Es kommt nur in sehr geringem Umfang zu Termingeschäften. Preise bis 105 €/t werden genannt. Die Verarbeiter versuchen, die Kurse bereits vor der Ernte stark zu drücken. Der starke Kursverlauf des Euro gegenüber dem US-Dollar (siehe auch Devisenkurse) sowie die ergiebigen Niederschläge der letzten Tage haben zudem der positiven Preisentwicklung einen Dämpfer versetzt.

Die Grafik zeigt anschaulich, daß am EU-Markt seit Wochen nur ein leichter Aufwärtstrend zu verzeichnen ist, während die Kurse in den USA seit ihrem Höhenflug im September/Oktober 2003 rapide eingebrochen sind und ihren Boden noch nicht gefunden haben.

Fakten

  • Prognose des IGC
    In seiner Prognose vom 29.05.2003 erwartet der internationale Getreiderat (IGC) eine Weizenproduktion für die kommende Ernte 2003/04 in Höhe von 582 Mio. t im Vergleich zum Vorjahr (566 Mio. t). Die Endbestände der fünf Hauptexporteure (Argentinien, Australien, Kanada, EU, USA) erholen sich nach Einschätzung des IGC leicht auf 38 Mio. t (Vj. 33) und damit auf gut 6 % des weltweiten Jahresbedarfs.

    in Mio. t
    Produktion
    Verbrauch
    Endbestände
    Welt
    Welt
    Welt
    *) Haupt- exporteure
    1999/00
    585
    582
    201
    51
    2000/01
    582
    586
    200
    53
    2001/02
    582
    587
    194
    49
    2002/03
    566
    602
    158
    33
    2003/04 Prognose vom:
    29.04.2003
    590
    602
    149
    44
    28.05.2003
    582
    599
    140
    38
    *) Argentinien, Australien, EU, Kanada, USA
    Quelle: IGC, Prognose vom 30.04.2003

    Hausse-Signal

  • Prognose des USDA
    Das amerikanische Landwirtschaftsministerium (USDA) hat in seiner monatlichen Prognose vom 11.06.2003 die Produktionserwartung für die Weizen-Hauptexporteure (Argentinien, Australien, EU, Kanada, USA) für die kommende Ernte 2003/04 im Vergleich zur Mai-Prognose leicht auf 222 Mio. t zurückgenommen (Vj.: 185). Die weltweiten Erwartungen wurden ebenfalls auf 561,45 Mio. t reduziert (Vj.: 564).

    Das USDA rechnet trotz wachsender Weltbevölkerung und dem anhaltenden Trend zum Konsum von Weizenmehl mit einem etwas geringeren Verbrauch - begründet mit einer geringeren Nachfrage nach Futterweizen. Dennoch liegt der Verbrauch weiterhin hoch, so daß die Endbestände auf rund 137 Mio. t schrumpfen.



    Für weitere Länder wie Ukraine und Rußland, die den EU-Markt in den letzten Monaten schwer in Bedrängnis gebracht haben, werden die Produktionserwartungen jedoch zum teil drastisch zurückgenommen.

    in Mio. t
    Produktion
    Verbrauch
    Endbestände
    Welt
    Haupt- exporteure
    Welt
    Welt
    Haupt- exporteure
    1999/00
    585,93
    226,70
    591,62
    170,11
    51,93
    2000/01
    583,59
    232,34
    590,11
    168,84
    52,11
    2001/02
    581,08
    205,38
    583,77
    197,97
    44,63

    2002/03

    564,00
    184,80
    596,88
    165,09
    35,55
    2003/04 Prognose vom:
    12.05.2003
    569,52
    222,52
    591,43
    134,46
    34,05
    11.06.2003
    561,45
    221,73
    589,93
    136,61
    37,88
    Hauptexporteure: Argentinien, Australien, EU, Kanada, USA
    Quelle: USDA, Prognose vom 12.05.2003

    Für den Exportbereich der Hauptexporteure sind die deutlich günstiogere Aussichten als in den letzten Jahren. Sollten sich die Zahlen so bewahrheiten, kann man von einem knappen Markt sprechen..
    Hausse-Signal

  • Ernteerwartungen in der EU
    In ihrer letzten, bereits etwas betagten Prognose vom 28.02.2003 schätzt die Interessenvertretung der Getreidehändler in der EU, Comite Du Commerce Des Cereales (Coceral) die EU-Getreideernte 2003 auf 205,6 Mio. t, die damit das Vorjahresergebnis der Ernte 2002 von 207,14 Mio. t um rund 1 % unterschreiten würde. Die Weizenfläche wurde in der EU zur Ernte 2003 um 0,6 % eingeschränkt, die Erträge werden mit durchschnittlich 66,9 dt/ha 0,5 % unter dem 2002er Ergebnis eingeschätzt. Insgesamt schätzt Coceral die EU-Weichweizenernte auf 92,9 Mio. t nach 93,9 Mio. t in 2002, das bedeutet einen Produktionsrückgang um 1,1 %. Ein deutlicher Produktionsanstieg 4 % wird jedoch für Deutschland erwartet.

    in Mio. t
    Weizenproduktion in der EU-15
    Deutsch-
    land
    Frank-
    reich
    Groß-
    britannien
    EU-15
    1999/00
    19,551
    35,463
    16,465
    89,576
    2000/01
    21,578
    35,929
    16,700
    95,553
    2001/02
    22,814
    30,233
    11,573
    83,044
    2002/03
    20,769
    37,347
    16,053
    93,926
    2003/04 Prognose vom:
    28.02.2003
    21,645
    35,975
    15,210
    92,848
    Quelle: Coceral, Prognose vom 28.02.2003

    Diese Prognose signalisiert mehr Baisse- als Hausse-Potential für den Markt. Da die Vegetation seit Wochen jedoch unter klimatisch suboptimalen leidet (Bestandesdichte, Wassermangel, Kornanlage usw.), erwarten die Marktbeteiligten eine eher unterdurchschnittliche Ernte 2003. Vor allem in Ostdeutschland sind deutliche Ertragseinbußen absehbar. Dennoch herrscht große Unsicherheit darüber, welche Ernteerträge und Qualitäten tatsächlich zu erwarten sind. Folglich ist das Geschäft mit 2003er Ware fast zum Erliegen gekommen. Verarbeiter und Händler warten zunächst die Entwicklung ab.
    Hausse-Signal, sofern sich die Befürchtungen bestätigen

  • Ernteerwartung für Osteuropa
    Nachdem die Ukaraine und Rußland nach der letzten Ernte bis zum Jahresende 2002 den EU-Markt mit preisgünstigem Weizen regelrecht "überschwemmt" haben, wird die Ukraine jetzt zum Importland. Der Totalausverkauf hat keine Vorratshaltung erlaubt, so daß das ukrainische Landwirtschaftsministerium für 2003/04 mit einem Importbedarf in Höhe von 2,5 Mio. t Brotgetreide rechnet. Hohe Auswinterungsverluste lassen die Ernteschätzung für 2003 um rund 63 % (!) auf 7,5 Mio. t Brotgetreide schrumpfen (2002: 20,55). Gerüchte über ein mögliches Exportverbot aus der Ukraine machen derzeit die Runde.
    Hausse-Signal

  • Import/Export
    Der noch immer im Vergleich zum US-Dollar sehr starke Euro dämpft die europäischen Exportmöglichkeiten. Traditionelle Exportländer der EU wie die nordafrikanischen Staaten Algerien, Ägypten und Marokko erwarten in diesem Jahr jedoch eine größere Ernte, so daß hier von einem geringeren Importbedarf ausgegangen werden kann. Höherer Importbedarf ist dagegen aus den osteuropäischen Ländern zu erwarten.

Prognose
Produktion und Verbrauch laufen immer stärker auseinander. Nur wenn die Ernte 2003/04 auf der nördlichen Halbkugel ohne deutliche Einbußen eingebracht werden kann, kann die weltweite Versorgungslage als gerade gesichert angesehen werden. Sollten sich aufgrund ungünstiger Witterung gravierende Ertragseinbußen ankündigen, dürfte stabile Preisentwicklung der Vergangenheit angehören.

Somit bietet der Weizenmarkt für Geschäfte an den Warenterminmärkten ein hohes Spekulationspotential. Zwar eröffent sich dadurch die Möglichkeit deutlich anziehender Kurse - sofern mit drastischen Ertragseinbußen gerechnet wird -, dennoch könnte dies auch große Preisschwankungen bedeuten, die zu einer starken Verunsicherung am Markt führen. Eine strategische Verkaufsplanung für die Erzeuger am Kassamarkt könnte daduch enorm erschwert werden.

 
 
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