EU-Weizenpreise folgen der internationalen Preisrally zögerlich
Dipl.-Ing. agr. S. Linker  sabine.linker@llh.hessen.de
Stand: 20.09.2002


Am 14.08.2002 lautete die Markteinschätzung: "... Die Märkte scheinen derzeit zu drehen. Seit Monaten ist bekannt, daß die globalen Endbestände aufgrund des wachsenden weltweiten Verbrauchs beständig abnehmen. Bisher haben die Märkte diesem Risikofaktor kaum Rechnung getragen. ... Bei qualitativ gutem bis sehr gutem Backweizen sollte aus meiner Sicht, die Entwicklung der nächsten Tage unbedingt abgewartet werden. Ich erwartet deutliche Preisanhebungen ...".

Marktlage
Und so kam es dann auch: Die Kurse für Futterweizen konnten sich erwartungsgemäß stabilisieren bis leicht verbessern. Qualitativ guter Weizen konnte deutlich zulegen und profitierte von der Hausse-Stimmung am internationalen Markt. Für Elite-Weizen kletterten die Kassakurse franko Rostock inzwischen auf 155 bis 160 €/t. Die Brotweizen-Preise liegen bei 128 €/t franko Hamburg bzw. Rostock.

Die Grafik verdeutlicht den scharfen Kontrast zwischen den rasant steigenden Kursen in Nordamerika - vor allem für qualitativ höherwertige Qualitäten - und den noch immer in erheblichem Abstand folgenden Preisen an unseren heimischen Märkten. Hier sind es vor allem die kostengünstigen Angebote aus den Anbaugebieten am Schwarzen Meer, die den EU-Markt ausbremsen.

Fakten

  • Import: Nach wie vor ist niedrigpreisiger Weizen aus den Anbaugebieten am Schwarzen Meer einer der Hauptkonkurrenten am internationalen Markt. Nach der Wetterkatastrophe am Schwarzen Meer wurden die Verschiffungen zwischenzeitlich wieder aufgenommen. Angebotspreise, die teilweise noch unter den niedrigen Kursen des Vorjahres lagen, haben auch die Importe in die EU deutlich ansteigen lassen. Die Magreb-Staaten, traditionell Abnehmer von EU-Weizen, werden derzeit in hohem Umfang mit Schwarzmeerweizen beliefert.
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  • Importzölle: Die EU-Kommission plant eine Änderung des Importzollverfahrens für Weizen. Derzeit führt die EU-Kommission in dieser Angelegenheit Gespräche mit der WTO (World Trade Organisation - Welt-Handelsorganisation), den internationalen Handelspartnern wie auch den EU-Staaten.

    Laut den Vorschlägen der EU ist unter anderem beabsichtigt, bei einer Importmenge über 2,3 Mio t einen höheren Zoll von 95 €/t für Weichweizen und 148 €/t für Durum-Weizen zu erheben. Die zollfreien Importmengen der USA (300.000 t) und Kanadas (50.000 t) sollen bestehen bleiben.

    Ein solches Zoll-Quoten-System würde zu einer Stärkung des EU-Binnenmarktes führen und ist somit aus Sicht der Landwirtschaft positiv zu bewerten.
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  • Export: Die Exportaussichten für deutschen Backweizen sind für das Wirtschaftsjahr 2002/03 schlechter als im Vorjahr, da die Qualitäten in vielen Regionen witterungsbedingt schwächer ausgefallen sind. Dagegen soll franzöischer Weizen fast zu 100 % backfähig sein, so daß mit guten Exportaussichten gerechnet wird. und der Angebotsdruck auf den deutschen Markt kleiner ausfallen dürfte. Insbesondere E-Weizen dürfte nicht nur innerhalb der EU, sondern auch in den nordafrikanischen Staaten, der Türkei, Israel und anderen Drittländern Absatzchancen haben

    Zwar wurde seit dem 01.07.2002 deutlich mehr Weizen importiert als in den Vorjahren, doch der Export konnte erheblich stärker ausgebaut werden. Das bedeutet, daß die Exportregion EU derzeit über das Absatzventil Export eine starke Marktentlastung erfährt.



    Der starke Anstieg der EU-Exportlizenzen bis zum 10.09.2002 ist darauf zurückzuführen, daß die EU den USA umfangreiche Geschäfte "wegschnappen" konnte. Die hohen US-Preise machen Zukäufe in der EU besonders attraktiv. Die Exporterstattungen für EU-Getreide wurden durch die EU-Kommission folglich gestrichen. Es kann also keinerlei Rede davon sein, daß die Importe den EU-Markt belasten würden.
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  • Prognose EU: Die Ende Juni mit 99 Mio. t (Vj: 83 Mio. t) noch sehr hoch angesetzten Ernteerwartungen für die EU wurden inzwischen deutlich nach unten korrigiert. Die Ernte in Frankreich soll nach Aussage des französischen Getreideamtes ONIC (Office National Interprofessionnel des Céréales), Paris zu 92 % backfähig sein. Da jedoch ein großer Teil der französischen Backweizen-Ernte in den Drittlandsexport geht, dürfte der Angebotsdruck auf den deutschen Markt kleiner ausfallen als in den Vorjahren. neutral
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  • Prognose IGC: In seiner neuesten Prognose vom 29.08.2002 geht das IGC (International Grain Council) jetzt nur noch von einer weltweiten Weizenproduktion von 568 Mio. t (Vj: 581) aus. Da der Verbrauch jedoch beharrlich ansteigt, wird ein Absinken der Endbestände auf 142 Mio. t erwartet. Die Endbestände der fünf Hauptproduzenten (Argentinien, Australien, EU, Kanada, USA) sinken auf 36 Mio. t ab (2001/02: 47, 2000/01: 52).
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  • Prognose USDA: Das amerikanische Landwirtschaftsministerium hat in seiner monatlichen Prognose vom 12.09.2002 die Produktionserwartung für die Weizen-Hauptexporteure (Argentinien, Australien, EU, Kanada) im Vergleich zur August-Prognose um 10,9 Mio. t auf 159,6 Mio. t zurückgenommen. Ursächlich sind die Trockenheit in Australien und Kanada sowie die Überschwemmungen in der EU insbesondere in Deutschland.

    Die USA erwarten nur noch eine Weizenernte in Höhe von 46 Mio. t (2001: 53, 2000: 61). Alle Kategorien sind betroffen: Soft Red Winter -2 Mio. t, Hard Red Winter -4 Mio. t, Hard Red Spring -2 Mio. t.
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  • Australien: Die Dürre in weiten Teilen Australiens hält an. Man rechtet mit deutlichen Ertragseinbrüchen. In den letzten 20 Jahren schwankte die australische Weizenproduktion zwischen 9 und 25 Mio. t pro Jahr mit einem Durchschnitt von rund 16 Mio. t. Für das WJ 2002/03 hat AWB, Australiens größte Getreide-Vermarktungs-Organisation, die Ertragserwartungen inzwischen auf 14 – 16 Mio. t zurückgenommen (2001/02: 24 Mio. t).
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  • Kanada: Die Ernte in Kanada liegt nach neuesten Einschätzungen aufgrund der Trockenheit in dieser Anbausaison rund 5,6 Mio. t unter derVorjahresernte von 20,57 Mio. t.
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  • Kazakstan, Rußland, Ukraine: Die erwartete Ernte wird mit insgesamt 81 Mio. t (Vj: 80,9) auf Vorjahresniveau prognostiziert. Aufgrund der Konjunkturschwäche sowie Lagerproblemen in diesen Länder, läuft der Export in diesem Jahr jedoch lebhafter und auf sehr niedrigem Preisniveau. Die Angebotspreise liegen für Backqualitäten rund 20 US-Dollar/Tonne unter unter dem französischen Exportpreis.
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Prognose
Noch haben die Weizenpreise in der EU wie auch in Deutschland noch nicht auf voller Lienie auf die internationale Kursentwicklung reagiert. Der internationalen Markt wird aus meiner Sicht in der nächten Zeit rauf und runter gehen, da die Marktbeteiligten in ihrer Meinung zwischen "überbezahlt" und "mangelhaftem Risikozuschlag" schwanken werden.

Schwarzmeer-Angebote dürften in den späten Herbstwochen deutlich rückläufig sein, so daß der Marktdruck von dieser Seite schwindet. Erfahrungsgemäß kommt es in den Wintermonaten zudem zu Problemen bei der Verschiffung.

Qualitativ guter bis sehr guter Weizen hat in der EU nach meiner Meinung in absehbarer Zeit ein weiteres Preissteigerungspotential. Bei Preisverhandlungen könnten auch Termingeschäfte zur Lieferung ab Januar 2003 von Interesse sein.

Die Preisaussichten für Futterweizen haben sich basierend auf den aktuellen Daten zwar verbessert, sind aus heutiger Sicht jedoch deutlich begrenzter als bei Backqualitäten.

Derzeit deutet alles auf eine deutliche weltweite Anbauausweitung zur Ernte 2003 insbesondere in den USA hin. Es könnte daher angeraten sein - sobald die EU-Preise kräftiger anziehen - Terminkontrakte für die Weizen-Ernte 2003 abzuschließen ganz nach dem Grundsatz:

"Verkaufs-Geschäfte sollten dann abgeschlossen werden,
wenn der Markt eine Hausse-Phase durchläuft!"

Ich erwarte für das Frühjahr/Frühsommer 2003 einen rapiden Preissprung -  je nach Lage der Angebot-Nachfrage-Prognosen - nach oben oder unten.

 

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