EU-Weizenpreise wieder auf Weltmarkt-Niveau
Dipl.-Ing. agr. S. Hampel - Dipl.-Ing. agr. Ch. Schlemmer
 sabine.linker@llh.hessen.de  
Stand: 27.08.2004


Erst Regen - dann eine Riesenernte. Die Folge: Die Preise sind während der Ernte in den Keller gestürzt. Dabei ist die Ernte in der EU-25 noch gar nicht beendet.

Marktlage
Die bis Ende Juli andauernde Regenperiode hatte die Läger leergefegt, so daß sich die Erzeuger in den ersten Erntetagen noch über gute Brotweizenpreise bis zu 95 €/t netto franko Landhandelslager freuen konnten. Die dann folgenden umfangreichen Andienungen beim regionalen Agrarhandel und den Verarbeitungsunternehmen ließ die Preise in wenigen Tagen auf rund 80-85 €/t einbrechen.

Die Erzeuger reagierten auf den Kurseinbruck kurzerhand mit der Einlagerung der trocken geernteten Ware. Ob Silo oder Maschinenhalle, derzeit bleibt auf den meisten Höfen kein Platz ungenutzt, um dem Erntepreistal zu entgehen. Für die Erzeuger heißt die Devise bei der Vermarktung derzeit: Abwarten!

Während man in der Hoffnung auf bessere Preise noch abwartet, sollte die Marktsituation analysiert und die Vermarktungsstrategie geplant werden. Denn an der Tatsache, daß die Ernte in Hessen, Deutschland und der gesamten EU-25 sehr groß ist, läßt sich nicht rütteln. Irgendwann wird das eingelagerte Erntegut an den Markt gebracht. Der Angebotsdruck hat sich damit nur verschoben.

Franko Hamburg notierte Brotweizen zur Lieferung ex-Ernte zuletzt bei 105 €/t netto. An der Produktenbörse Mannheim wurde der Brotweizen-Preis auf Großhandelsebene mit 101-102 €/t notiert. An den Warenterminbörsen scheint das Preistal nach dem Preisverfall der letzten Wochen inzwischen durchlaufen zu sein. Die Kurse lagen für den Termin September 2004 an der MATIF/Paris zuletzt bei 110,5 €/t. An der WTB/Hannover konnten sich die Kurse zuletzt leicht verbessern und notierten für den September-Termin zuletzt bei 105 €/t. Auf dem internationalen Börsenpakett notierte Weizen mittlerer Backfähigkeit an der KCBT, Kansas/USA nach dem kurzzeitigen Preishoch am Montag zuletzt mit umgerechnet 99,66 €/t höher als in den Vorwochen.

Fakten

  • USDA rechnet mit höherer Produktion
    In seiner Prognose vom 12.08.2004 hat das US-Landwirtschaftsministerium (USDA) die weltweite Produktionsschätzung für 2004/05 um über 10,6 Mio.t auf 608,6 Mio.t im Vergleich zum Vormonat um rund 1,8 % angehoben.

    Vertraut man der neuen US-Schätzung würde die neue weltweite Weizenernte 2004/05 den prognostizierten Verbrauch von 599 Mio.t um rund 10 Mio.t übersteigen. Damit übersteigt die Produktion zum ersten Mal seit sechs Jahren den weltweiten Verbrauch, so daß es zu einem Bestandsaufbau kommt. Nicht nur weltweit, sondern auch bei den Hauptexporteuren wird jetzt ein deutlicher Bestandsaufbau erwartet.

    in Mio. t
    Produktion
    Verbrauch
    Endbestände
    Welt
    Haupt- exporteure
    Welt
    Welt
    Haupt- exporteure
    1999/00
    585,9
    226,7
    591,6
    170,1
    51,9
    2000/01
    583,6
    232,3
    590,1
    168,8
    52,1
    2001/02
    580,8
    204,2
    585,1
    202,3
    47,9
    2002/03
    566,9
    206,8
    601,6
    167,4
    40,6
    2003/04
    550,8
    232,1
    585,8
    132,3
    38,1
    2004/05 Prognose vom:

    12.05.2004

    588,7
    244,6
    594,2
    123,3
    42,2

    10.06.2004

    593,4
    245,1
    595,8
    126,4
    42,0

    12.07.2004

    598,0
    246,0
    596,2
    132,2
    43,1
    12.08.2004
    608,6
    250,5
    598,6
    142,3
    46,9
    Hauptexporteure: Argentinien, Australien, EU, Kanada, USA
    Quelle: USDA

    Nachdem das USDA über Monate davon ausgegangen war, daß die Weizen-Endbestände im dritten Jahr in Folge schrumpfen würden, korrigiert man jetzt die Einschätzung auf einen deutlichen Produktionsüberschuß.

    Der weltweite Verbrauch bleibt nach wie vor auf einem hohen Niveau. Das Wachstum der Weltbevölkerung läßt auch in den nächsten Jahren einen steigenden Verbrauch erwarten.
    Baisse-Signal

  • Die größen Weizen-Produzenten
    Durch die Erweiterung um 10 Mitgliedsstaaten belegt die EU-25 in diesem Jahr weltweit den ersten Rang unter den Weizenproduzenten. Von den nunmehr 25 Mitgliedsstaaten werden nach derzeitigen Prognosen auf dem EU-Binnenmarkt 130 Mio.t Weizen erzeugt. Im Vergleich zum Vorjahr kann die EU-25 ihr Ernteergebnis um etwa 24 Mio.t verbessern.



    Der bisher größte Weizenerzeuger China (90 Mio.t) wird durch die EU-Osterweiterung auf Platz zwei zurückgedrängt. Von China ist trotz seiner eigenen hohen Weizenproduktion kein zusätzlicher Preisdruck auf dem Weltmarkt zu erwarten, da es sich bei diesem Staat um ein wichtiges Importland handelt.

    Nach dem Dürrejahr 2003 konnte die GUS-12 (FSU-12) ihre Erntemenge (84 Mio.t) in diesem Jahr wieder erheblich steigern, erreicht jedoch nicht das Niveau des Rekorderntejahres 2002. Das Qualitätsniveau des Vorjahres wird nicht erreicht, so daß der Anteil von Brotgetreide dieses Jahr deutlich niedriger liegt.

    Auf Platz vier und fünf der weltweiten Weizenproduktion liegen Indien (71 Mio.t) und die USA (knapp 60 Mio.t).

    Insgesamt steigen die weltweiten Weizenerträge in der Ernte 2004 im Vergleich mit dem Vorjahr wieder an. Eine Ausnahme bildet hier lediglich die USA. Dort wurde vielerorts ein Teil der Weizenanbauflächen durch Sojaanbau ersetzt.
    Baisse-Signal

  • Die größten Weizen-Exporteure
    Durch die in diesem Jahr geringere US-Weizenproduktion werden auch die zu erwartenden Weizenexporte der USA niedriger eingeschätzt. Trotzdem bleiben die USA der wichtigste Weizenexporteur weltweit. Die Exportmengen aus Kanada und Argentinien erreichen voraussichlich wieder das Vorjahresniveau und liegen damit im Mittel der vergangenen Jahre.



    2002 brachte die GUS-12 mit ihren enormen Exportsteigerungen (siehe Pfeil) die Preise am Weltmarkt stark unter Druck. Nach dem Dürrejahr 2003 werden für die GUS-12 (FSU-12) für die aktuelle Saison Anstiege der Exportmengen prognostiziert. Die Exporte werden vor allem in den Mittelmeerländern, im Nahen und Mittleren Osten abgesetzt.

    Exporte der GUS-12 in Richtung EU-25 werden durch neue europäische Importregelungen erschwert. Auch die EU-25 wird voraussichtlich die Exportmengen des Vorjahres um fast ein Drittel überschreiten, das Niveau von 2002/03 kann jedoch wahrscheinlich nicht erreicht werden.
    Hausse-Signal
  • Die größten Weizen-Importeure
    Im Jahr 2004/2005 werden die Staaten der EU-25 etwa 5 Mio.t Weizen aus Drittländern importieren. Die Importmenge unterschreitet damit die des Vorjahres (6 Mio.t) um 1 Mio.t. Die weltweit höchsten Importe werden für Nordafrika mit rund 15 Mio.t prognostiziert.



    Weitere große Importregionen sind der Nahe Osten, Südostasien, China und Brasilien. Insbesondere China wird die Importe voraussichtlich um über 4 Mio.t ausweiten. Damit fällt dem Importbedarf Chinas eine besondere Rolle bei der zu erwartenden Preisentwicklung zu.
    Bei günstiger Entwicklung beim Export: Hausse-Signal

  • Höhere Ernte 2004 in der EU bringt die Preise unter Druck
    Nach der Juni-Prognose des europäischen Getreidehandelsverbandes Coceral fällt die Ernte 2004 bei Weizen in der EU-25 zwar größer aus als im Vorjahr, liegt aber dennoch unter den Ergebnissen des Super-Erntejahres 2002.

    Weizen-Produktion in der EU-25
     
    Anbaufläche
    Mio. ha
    Ertrag
    t/ha
    Produktion
    Mio. t
    Ernte 2002
    23,22
    53,2
    123,59
    Ernte 2003
    18,47
    53,2
    98,31
    Ernte 2004
    19,73
    60,0
    118,30

    Die Grafik zeigt deutlich, daß die Weizenerzeugung der EU-25 in den vergangenen Jahren um einen Größenordnung von rund 120 Mio.t schwankt. Der Ertrags-Einbruch des Dürrejahres 2003 wird durch die Rekordernten dieses Jahres wieder aufgewogen.



    Eine Entlastung des Binnenmarktes kann lediglich über den Dittland-Export erfolgen. Derzeit verläuft die Vermarktung der EU-Weizenernte über den Export in Drittländer noch äußerst schleppend.
    Baisse-Signal

  • Rekord-Getreideernte in Deutschland
    Die Getreideernte in Deutschland wird seitens des Deutschen Bauernverbandes auf rund 48,5 Mio.t geschätzt (2003: 39,5, 2002: 43,4, 2001: 49,7). Die offizielle Ernteschätzung des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMVEL) wird am 30.08.2004 bekannt gegeben. Dann dürfte die umfangreiche deutsche Ernte auch durch offizielle Zahlen bestätigt werden.

    Nachdem die Ernte des Dürresommers 2003 einen radikalen Abbau der Interventionsbestände eingeleitet hat, ist für die Anfang November beginnende Interventionssaison 2004/05 wieder mit einem deutlichen Aufbau der Interventionsbestände zu rechnen. (Siehe hierzeu auch den Beitrag
    "Gähnende Leere in den Interventionslägern" vom 28.07.2004.) Vor allem bei Gerste und Weizen sind umfangreiche Andienungen in die Intervention zu erwarten.



    Die Grafik macht nicht nur den enormen Kurseinbruch der deutschen und EU-Weizenpreise an den Kassamärkten auf Erzeuger- und Großhandelsebene wie auch am Terminmarkt deutlich. Erkennbar wird auch, daß sich der EU-Markt nach der Entkopplung vom Weltmarkt nach der Ernte 2003 jetzt wieder an die internationale Preisentwicklung anlehnt.

    Im Futtergetreidesektor dürfte es Verschiebungen zwischen den Getreidearten geben, die vor allem durch das Preisniveau gesteuert werden. Ob der Verbrauch durch die Veredlungsproduktion steigen wird, ist noch nicht absehbar.
    Baisse-Signal

  • Australien prognostiziert Steigerung der Weizen-Exporte
    Für die australische Weizenernte 2004/05 prognostiziert wird mit 23,3 Mio.t ein Minus von  6,7 % bzw. 1,7 Mio.t im Vergleich zum Vorjahr. Dennoch geht man jetzt von einer Steigerung der Exportmengen um fast 22 % auf 18,2 Mio.t aus. Nach dem Abschluß der Ernte im Dezember dürfte damit ab Januar 2005 auf der Südhalbhugel ein größeres Weizenangebot als im Vorjahr bestehen, daß insbesondere auf den asiatischen Märkten Absatz finden dürfte. EU-Exporte in diese Regionen dürften daher deutlich schwerer werden.
    Baisse-Signal

Prognose
Erzeuger, Agrarhandel und Verarbeiter warten derzeit in Deutschland wie auch der gesamten EU die weitere Preisentwicklung in der Hoffnung auf einen Verbesserung der Absatzsituation ab. Dabei, darf nicht vergessen werden, daß die eingelagerten Erntemengen demnächst an den Markt gebracht werden und somit zeitverzögert den bestehenden Preisdruck verlängern dürften.

Da auch in den anderen EU-Ländern umfangreiche und qualitativ gute Ernten eingefahren wurden, ist für die laufende Vermarktungssaison mit mit einem stärkeren Wettbewerbsdruck durch französischen, ungarischen wie auch englischen Weizen zu rechnen.

Mit Preissteigerungen wie im Vorjahr ist nach meiner Einschätzung und basierend auf den derzeitigen fundamentalen Daten nicht zu rechnen. Möglicherweise eröffnen sich Ende November/Anfang Dezember etwas günstigere Verkaufstermine. Der weitere Preisverlauf im kommedenn Jahr wird ganz im Zeichen der Entwicklung am Exportmarkt stehen.

 
 
 

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