Börse: Spekulative Hausse-Pause


S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 23.08.2012


Die Reise-Diplomatie zur Rettung des Euro läuft erneut auf Hochtouren und die US-Notenbank FED schürt Hoffnungen auf eine baldige geldpolitische Lockerung. Dies verschafft dem Euro Luft nach oben. Trotz leichter Kursverluste blieben Agrarrohstoffe angesichts der Ernteausfälle an den Börsen teuer.

 

Devisen & Konjunktur
In Athen hat sich gestern der Vorsitzende der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, mit dem griechischen Ministerpräsidenten Antonis Samaras getroffen. Der Chef der Euro-Gruppe ließ die Möglichkeit einer zeitlichen Streckung des griechischen Anpassungsprogramms zwar offen, schloß eine solche Maßnahme aber auch nicht aus. Ein möglicher zusätzlicher Spielraum für Athen hänge von den für September angekündigten Ergebnissen der Troika-Mission ab (EU-Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds). Griechenland steht bei den Euro-Partnern mit mehr als 100 Milliarden Euro in der Kreide. Die Staatsverschuldung hat inzwischen 160 % der Wirtschaftsleistung erreicht.

Mit bester Laune quittierten die Märkte zudem das Protokoll der US-Notenbank FED zu der jüngsten Sitzung Anfang August. Offenbar erwägen die US-Notenbanker schon "ziemlich bald" ein neues US-Konjunkturprogramm, sofern sich die Wirtschaftslage in den USA nicht bald verbessert. Die Aussicht auf eine weitere Geldspritze der US-Notenbank belastet den Kurs der US-Währung deutlich und bot dem Euro Rückenwind.

Gestern wurde der Euro-Referenzkurs von der Europäischen Zentralbank (EZB) mit 1,2448 US-Dollar festgesetzt und setzte damit seinen Erholungstrend fort.
Heute im frühen Handel wird der Euro erneut teurer gehandelt und hält sich oberhalb der Marke von 1,25 Dollar.

 

Energie
Die Ölpreise haben gestern ihre Gewinne an den Ölbörsen weiter ausgebaut. Nicht nur die Hoffnung auf einen erneuten Konjunkturanschub durch die US-Notenbank, sondern auch der erneute Rückgang der Ölreserven in den USA sorgten für Unterstützung.

Ein Barrel (1 Faß = 159 Liter) der US-amerikanischen Referenzsorte West Texas Intermediate (WTI) zur Auslieferung im Oktober zog gestern auf 97,26 Dollar an. Auch bei Nordsee-Rohöl der Sorte Brent zur Oktober-Fälligkeit verteuerte sich gestern weiter auf 114,91 Dollar.

 

Agrarrohstoffe
Nach den kräftigen Kursgewinnen der Vortage und infolge der neuen durch die US-Notenbank entfachten Rendite-Spekulationen traten die Agrarrohstoffe gestern zunächst einmal auf die Bremse.

Weizen, Mais und Braugerste an den europäischen Agrarrohstoff-Börsen mußten gestern leichte Kursverluste in Kauf nehmen. Die Investoren nahmen Gewinne mit. In Paris stand der November-Termin bei Weizen mit -1,00  Euro/t, bei Mais der November-Termin mit -0,75 Euro/t und bei Braugerste der November-Termin mit -0,50 Euro/t im Minus.
Rapssaat profitierte nicht nur von dem Kursanstieg am Ölmarkt und der unerwartet kleineren Schätzung der Rapsernte in Kanada. Der Front-Termin bei Rapssaat erzielte Kursgewinne von +3,50 Euro/t zu Vortag und wurde mit 522,75 Euro/t auf dem höchsten Stand seit vier Wochen notiert.

Nachdem die Sojakurse an den US-Börsen am Dienstag auf einen neues bisher nie erreichtes Allzeit-Hoch geklettert waren, mußten Sojabohnen und Sojaschrot wieder gestern begrenzte Gewinne abgeben. Lediglich Sojaöl notierte noch leicht im Plus.

Die Hausse-Signale der in dieser Woche stattfindenden Erntebereisung in den USA verpuffen bereits wieder, denn die Ergebnisse bestätigen nur, was an den Märkten längst bekannt ist: Die Dürre in den USA läßt die Ernteaussichten in den USA verdorren. Der Zustand von mehr als der Hälfte der Maisfelder und mehr als einem Drittel der Sojabestände wird als "schlecht" oder "sehr schlecht" eingestuft. Die Niederschläge der letzten Woche fielen viel zu gering aus und kamen für die meisten Feldbestände zudem viel zu spät.

 

Ausblick
Die Dürre in den US findet inzwischen fast täglich in der Presse Beachtung. Meteorologen halten für nächsten Tagen und am Wochenende Regen im "Mais-Gürtel" für möglich. Für die meisten Mais-Bestände und für einen großen Teil der Soja-Felder käme dieser Regen jedoch bereits zu spät, um noch positive Wirkung auf das Ertragspotential zu haben. In den USA hat die Maisernte zwischenzeitlich begonnen, infolge der Dürre deutlich früher als in Normaljahren. Bei vielen Sojabeständen ist die Phase der Schotenbildung inzwischen abgeschlossen.

Nach meiner persönlichen Einschätzung ist eine weitere Abwärtskorrektur bei den US-Anbauerwartungen zu erwarten. Damit würden sich die Erwartungen der Marktbeteiligten aber lediglich bestätigen.

Ich persönlich erwarte, daß die Agrarrohstoff-Hausse an den Börsen zunächst einmal Pause macht. In der Hoffnung, daß die US-Notenbank für eine neue Geldspritz sorgt, dürften sich an den Finanzmärkten die Investments jetzt neue ausrichten. Für Mais und Soja erwarte ich persönlich dennoch einen kleinen Spielraum nach oben. Am Weizenmarkt dürften derzeit die Negativ-Meldungen eingepreist sein. Hier wartet der Markt auf neue Hiobsbotschaften.

Am Kassamarkt haben sich die Preise auf hohem Niveau stabilisiert. Das aktuell feste Preisniveau läßt die Käufer zunächst abwarten. Wenige Geschäfte kommen nur bei dringendem Bedarf zustande. Während die Käufer zögerlich bei Neugeschäften bleiben, warten auch die Verkäufer zunächst einmal ab. Man spekuliert auf weitere Kursanstiege angesichts der Befürchtung, daß auf der Südhalbkugel das mit Hitze und Trockenheit verbundene Wetterphänomen El Niño die Ernteerwartungen im kommenden Winter schrumpfen läßt. Zudem sorgt die Erwartung besserer Exportmöglichkeiten für EU-Getreide für hohe Preise am Kassamarkt..

Aktuell bleibt damit weiterhin das Wetter rund um den Globus der Marktfaktor Nr.1.

 
 
 


Vorhergehende Beiträge

26.07.2012 Börse: Achterbahnfahrt
25.07.2012 Börse: Krasser Kursabsturz
24.07.2012 Börse: Kursrusch durch Euro-Krise und US-Regen-Vorhersage
19.07.2012 Börse: US-Dürre - Steilvorlage für den Agrarrohstoffmarkt
18.07.2012 Börse: US-Dürre bestimmt den Preistrend
17.07.2012 Börse: Wachsende Witterungsrisiken
   
 
 
 
 

Seitenanfang