Börse: Achterbahnfahrt


S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 26.07.2012


Statt Sommerpause zu machen, spitzt sich die Euro-Schuldenkrise immer wieder zu, die US-Ratingagentur Moody’s legt beinahe täglich mit neuen negativen Bonitätseinschätzungen nach und die Agrarrohstoffe fahren an den Börsen Achterbahn. Gestern konnten Weizen, Raps & Co ich Vortragsverluste teilweise wieder ausgleichen.

 

Devisen & Konjunktur
Der Euro-Kurs konnte sich gestern leicht erholen. Ewald Nowotny, Notenbankchef in Österreich und Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), hatte Spekulationen über eine Banklizenz für den künftigen Rettungsmechanismus ESM neu entfacht. Im Interview mit dem Fernsehsender "Bloomberg Television" erklärte der EZB-Banker, er sähe Argumente, die für eine Banklizenz sprächen.

Mit einer Bankenlizenz könnte der permanente Rettungsschirm ESM von den Liquiditätsspritzen der EZB profitieren und bei ihr seine Anleihen aus schuldengeplagten Ländern in frische Finanzmittel tauschen. So könnte er seine Wirkungskraft verbessern - ohne zusätzliche Hilfen der Mitgliedsstaaten nötig zu machen. Kritiker einer Bankenlizenz zweifeln aber gerade die Nachhaltigkeit einer solchen Maßnahme an.

Nach der Veröffentlichung des Interviews schoß der Euro-Kurs zeitweise bis auf 1,2171 Dollar in die Höhe. Letztendlich wurde der Euro-Referenzkurs gestern von der Europäischen Zentralbank (EZB) mit 1,2134 US-Dollar deutlich über dem Zwei-Jahres-Tief vom Dienstag festgesetzt.
Heute im frühen Handel wird der Euro erneut etwas teurer gehandelt. Die Negativ-Ausblicke der Ratingagenturen bringen die Märkte inzwischen nicht mehr ins Straucheln.

Erst wurde Spitzenbonität von Deutschland und anderen EU-Staaten in Zweifel gezogen, dann die Kreditwürdigkeit einzelner Bundesländer, dann der Rettungsschirm EFSF und vor wenigen Stunden legte die US-Ratingagentur Moody's noch einmal nach: Der Ausblick für die Bonität von 17 deutschen Banken wurde von "stabil" auf "negativ" gesenkt.

 

Energie
US-Öllagerbestände sind wieder gestiegen. Das jedenfalls dokumentiert die neue Statistik des US-Energieministeriums. Vor Veröffentlichung der Zahlen zu den Lagerbeständen notierte der Ölpreis noch im Plus, danach geriet der Ölmarkt stark unter Druck.

Nachdem in den letzten Wochen ein Rückgang der US-Öllagerbestände ausgewiesen wurde, sollen die Reserven jetzt wieder angewachsen sein. Rohöl in der Woche zum 20. Juli um 2,7 Mio. Barrel auf 380,1 Mio. Barrel gestiegen. Die Lagerbestände an Mitteldestillaten wie Diesel und leichtem Heizöl nahmen ebenfalls um 1,7 Mio. Barrel auf 125,2 Mio. Barrel zu. Die Benzin-Reserven stiegen um 4,1 Mio. Barrel auf 210,0 Mio. Barrel.

Die US-Öl-Vorräte verharren damit auf hohem Niveau. Daher tendieren die Ölpreise heute im frühen Handel weiter schwächer.

 

Agrarrohstoffe
Die Berg- und Talfahrt an den Agrarrohstoffbörsen setzt sicht fort. Diesseits wie auch jenseits des Atlantiks konnten Getreide und Ölsaaten einen Teil ihrer krassen Vortagsverluste wieder wett machen.

Die Turbulenzen am Finanzmarkt verblaßten gestern wieder leicht und die Wetterprobleme rund um den Globus gerieten wieder in den Vordergrund. In den USA hat es gestern nur im äußersten Norden des Mittleren Westens stärker geregnet und aktuell bewegt sich ein schmales Regenband nordostwärts. Dmit haben sich die Temperaturen im Mittleren Westen zwar leicht abgekühlt, doch weiterhin ist es in den meisten Anbauregionen zu trocken.

Auch in Rußland, Kasachstan und der Ukraine läßt die anhaltende Hitzewelle die Ernteerwartungen weiter sinken (siehe Beitrag "Ernte 2012: Ernteerwartungen in Osteuropa verdorren" vom 25.07.2012).

 

Ausblick
Die Niederschläge in den USA dürften nach meiner persönlichen Einschätzung zu keiner grundsätzlichen Wende bei den US-Anbauerwartungen führen. In vielen US-Anbauregionen dürfe der Regen nicht ausreichen, um die Böden zumindest kurzfristig mit ausreichend Feuchtigkeit versorgen. Zudem dürfte bei Körnermais das Ertragspotential inzwischen bei geschätzt mehr als der Hälfte der Maisbestände deutlich geschädigt sein. Die Sojabohnenbestände haben jetzt die kritische Wachstumsphase der Schotenbildung und -Füllung erreicht.

Nach den gestrigen Kursgewinnen an den Future-Märkten erwarte ich persönlich für den heutigen Tag, daß die Börsen heute ihren Erholungstrend nicht fortsetzen werden. Ich erwarte, daß bei den Investoren die Vorsicht überwiegen wird, obwohl zahlreiche "negative" Marktfaktoren mittelfristig einen stabilen Kurstrend untermauern sollten.
• bisher zu geringen Niederschläge in den USA,
• Trockenheit in Osteuropa und damit ein stark schrumpfendes Exportpotential,
• die Befürchtung, daß es in Rußland und anderen Ländern in Osteuropa doch
  noch zu Exporteinschränkungen kommen könnte.
• ein steigende globale Importbedarf und
• die Befürchtung, daß auf der Südhalbkugel das mit Hitze und Trockenheit verbundene
  Wetterphänomen El Niño die Ernteerwartungen im kommenden Winter schrumpfen läßt, .

Am Kassamarkt hat die Achterbahnfahrt an den Börsen zu großer Verunsicherung geführt. Nicht nur die Käufer verhalten sich angesichts der Börsenturbulenzen zunächst einmal abwartend. Auch Käufer schieben Verkäufe - ex-Ernte oder für spätere Liefertermine - häufig hinaus, wenn die Preisgebote zu stark zurückgenommen wurden. Mühlen und Futtermittelunternehmen warten die weitere Marktentwicklung in der Hoffnung auf weitere Kursrücknahmen zunächst einmal ab, zumal das bessere Erntewetter und die umfangreicheren Andienungen beim Agrarhandel den Preisdruck zusätzlich verstärken.

Aktuell bleibt das Wetter rund um den Globus der Marktfaktor Nr.1.

 
 
 


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