Weizen: Das Dilemma hoher Ernten

S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 20.08.2009


Starker Preisdruck hat die Getreide- und Rapsernte in den vergangenen Wochen begleitet. Etliche Standorte - nicht nur in Deutschland - brillierten mit Spitzenerträgen. Jetzt sind es die teilweise schwachen Proteinwerte, die für eine Stabilisierung der Weizenpreise an den Kassamärkten sorgen.

Marktlage
Die Weizenernte konnte in den meisten Regionen bereits abgeschlossen werden. Nur in wenigen Gebieten haben Witterung und Höhenlage zu Verzögerungen geführt. Nicht nur in Hessen wurden auf vielen Standorten hohe Erträge gedroschen.

Der Regel "Hohe Ernte - niedrige Preise!" bewahrheitet sich auch in diesem Jahr. Im Laufe der letzten Wochen rutschten sowohl die Kurse am Kassamarkt wie auch am Terminmarkt empfindlich ab. Da viele Mühlen und Futtermittelwerke ihre Läger während der Niedrigpreisphase im späten Frühjahr und ex Ernte aufgefüllt haben, bleibt die Nachfrage seitens der Verarbeiter schwach. Derzeit fließt lediglich kontrahierte Ware - teilweise sogar noch aus alter Ernte - ab.

Viele Weizenpartien weisen - nicht nur in Hessen - vergleichsweise schwächere Protein- und Feuchtklebergehalte auf. Während die Kleberqualität, das Hektolitergewicht und der Sedimentationswert in der Regel als gut beurteilt werden, werden es damit vor allem die Proteinwerte sein, die über die weitere Preisentwicklung der Back- und Futterqualitäten entscheiden.

Für proteinreiche Weizenpartien dürften bereits in den nächsten Wochen durchaus gute Vermarktungsaussichten bestehen. Die Kurse an dem europäischen Warenterminmarkt MATIF, Paris reagierten bereits mit einer Stabilisierung der Kurse, - obwohl der Preisdruck, der insbesondere vom amerikanischen Markt kommt, die Preisentwicklung inzwischen wieder negativ beeinflußt.

Üblicherweise folgt der europäische Markt demutsvoll den Vorgaben des US-Marktes - und dieser Trend verstärkt sich jetzt wieder. Damit verkleinert sich der Abstand der Terminkurse zu den Kassakurse jetzt wieder.

 

Fakten

  • Welt: Höhere Produktion übersteigt wachsenden Verbrauch
    Die Weizen-Ernte 2008/09 wurde von den Analysten des Internationalen Getreiderates und des US-Landwirtschaftsministeriums zuletzt um mehr als 2 Mio.t nach oben korrigiert. Mit 654 bzw. 659 Mio.t wird jetzt eine Welt-Weizenernte prognostiziert, die lediglich 3 bis 5 % unter der Vorjahrsernte liegt.

    Aufgrund der hohen Lagerbestände aus der letzten Ernte wird mit einem weiteren, allerdings nur leichten Anstieg der Lagervorräte gerechnet, da der Verbrauch deutlich höher ausfallen dürfte.

    in Mio. t
    Produktion
    Verbrauch
    Endbestände
    Welt
    Welt
    Welt
    Haupt- exporteure
    2003/04
    491
    556
    117
    33
    2004/05
    629
    610
    151
    73
    2005/06
    622
    624
    148
    59
    2006/07
    596
    617
    127
    38
    2007/08
    611
    616
    123
    33

    2008/09

    682
    636
    169
    50
    2009/10 Prognose vom:
    11.09.2009
    664
    646
    187
    50
    Hauptexporteure: Argentinien, Australien, EU, Kanada, USA
    Quelle: USDA

    Die international wieder höheren Ernten und die internationale Wirtschaftskrise bremsen auch beim Weizen seit dem letzten Jahr den internationalen Handel.

    Die USA bleiben trotz rückläufiger Exportzahlen auch in der aktuellen Saison die Nr.1 unter den Weizenexporteuren. Die EU rechnet nach den Rekordexporten des letzten Jahres mit einer geringeren Ausfuhr in Drittstaaten. In den letzten Jahren ist Rußland auf den dritten Platz aufgerückt und wird seinen Platz trotz leicht rückläufiger Exporte verteidigen. Rußland ergänzt sein etwas kleineres Weizenangebot aus der aktuellen Ernte durch umfangreiche Überhangbestände.


    Der Internationale Getreiderat IGC schätzt sogar, daß Rußland 2009/10 mit einer Rekorderntemenge von 18,6 Mio.t zum zweitgrößten Weizenexportland hinter den USA wird. Abgedrängt wird Kanada auf Platz 4 und Australien auf Platz 5. Die Ukraine ist mit stark variierenden Exportmengen inzwischen auf Platz 6 und Kasachstan auf Platz / aufgerückt. Argentinien, das früher zu den führenden Weizenexportländern gehörte, wird infolge der langanhaltenden Dürre und Exportbeschränkungen kaum eine Rolle im internationalen Weizenhandel spielen.
    Kurzfistig: Marktstabilisierung - Mittelfristig: leichte Hausse-Tendenz

 

Prognose
Noch steht der Weizenmarkt unter dem Eindruck der großen Ernte und der Rohstoff-Spekulation an den Warenterminmärkten. Die Versorgungsbilanzen des Internationalen Getreiderates und des US-Landwirtschaftsministeriums haben an den Kapitalmärkten für Ernüchterung gesorgt. Jetzt geht es für die institutionellen Investoren um Gewinnmitnahmen. Es wird verkauft und die Terminkurse geraten damit stärker in den Abwärtssog.

Für den Kassamarkt entwickelt sich der rückläufige Kurstrend an den Terminmärkte vorerst zum Baisse-Faktor. Der Preisdruck wird mit der jetzt zu Ende gehenden Ernte schwächer, doch für Futterweizenqualitäten besteht derzeit nur ein äußerst bescheidener Spielraum für eine Preiserholung.

Für gute Back- und Aufmischqualitäten stellen sich die Marktaussichten nach meiner persönlichen Einschätzung deutlich positiver dar. In den kommenden Wochen dürfte der Markt für proteinreichen Weizen nach meiner Erwartung ins Plus drehen. Die bestehende Nachfrage läßt bereits jetzt die Mühlen, die einen aktuellen Bedarf haben, Aufgelder für proteinreiche Partien zahlen.

Doch Vorsicht! Bei der Verkaufsplanung sollte man nicht aus den Augen verlieren, daß hochwertige Backqualitäten zwar knapp, aber doch in ausreichender Menge zur Verfügung stehen dürften. Infolge einer EU-weit wie auch weltweit hohen Weizenernte sowie EU-weit wie auch weltweit hohen Lagerbestände bleibt die Versorgungslage äußerst komfortabel.

 
 
 
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