Getreide: Talsohle erreicht?

S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 06.08.2008


Die Blase am Rohstoffmarkt ist geplatzt und hat auch die Kurse für Agrarrohstoffe in einen Abwärtssog gebracht. Hohe Erntemengen und der Kursrutsch an den Terminbörsen machen denen, die auf steigende Kurse gesetzt hatten, einen Strich durch die Rechnung. Wann geht es wieder aufwärts?

Marktlage
Nicht nur an den Agrarrohstoff- und Rohöl-Märkten, sondern an den Rohstoffmärkten ganz allgemein hat die Hochpreisphase ein jähes Ende gefunden. Seit der letzten Woche hat sich das Abwärts-Tempo noch einmal beschleunigt.

Preisdruck herrscht auch an den Getreidemärkten - an den internationalen Markt genauso wie hierzulande. Die Futtergerste- und Brotweizen-Preise haben am Kassamarkt in Hessen seit Anfang Juli um rund 25 Euro/t, bei Braugerste oder Brotroggen sogar um rund 30 Euro/t nachgegeben.

Bereits im Mai hieß es in den Beitrag "Weizen: Auf Korrekturkurs": ... Nach meiner persönlichen Einschätzung wird in den kommenden Monaten auch die weiter steigende weltweite Nachfrage nicht für neue Preis-Phantasien ausreichen. Die Rendite-Aussichten für die Investoren an den Rohstoffmärkten entwickeln sich schwächer, so daß der Agrarrohstoff-Sektor an Attraktivität verliert. Dennoch gehe ich davon aus, daß die Preise für alle Grundnahrungsmitteln - darunter auch Weizen - in den kommenden Jahren hoch bleiben, so daß der derzeitige Kursrückgang eher als längst überfällige Preiskorrektur zu werten ist. ...

Für die kräftigen Kursrückgänge an den Getreidemärkten gibt es eine Reihe von Gründen:
• hohe Ernten in Deutschland und der gesamten EU,
• hohe Welt-Getreideernte,
• krasser Kurseinbruch am Rohölmarkt,
• Umschichtung von Investments aus den Rohstoffen in Aktien,
• trübe Konjunkturaussichten für die Weltwirtschaft,
• zurückhaltende Zukäufe des Handels und der Verarbeiter.

Der Preisdruck am Getreidemarkt verstärkt sich, da in vielen deutschen Ernteregionen die Erntemengen größer ausfallen, als noch kurz vor der Ernte erwartet wurde. Regional werden jedoch auch Ernteeinbußen von schätzungsweise bis zu 20 % verzeichnet. In der Regel werden gute Qualitäten gedroschen, lediglich Kleinkörnigkeit ist ein häufiger verzeichnetes Problem. Nach Berichten der Fachzeitung Ernährungsdienst fallen die Weizenqualitäten in Westdeutschland oftmals schwach aus. Nur ein Drittel der Partien soll ausreichende Fallzahlen und Proteinwerte aufweisen.

Am Weizenmarkt gab an der Warenterminbörse MATIF in Paris/Frankreich der August-Termin seit Anfang März um über 57 Euro/t auf zuletzt 186,25 Euro/t nach. Der November-Termin ruschte um knapp 58 Euro/t auf inzwischen 185,25 Euro/t zurück.

Abwärts ging es auch bei den Kursen an der Warenterminbörse RMX in Hannover. Mit nur noch 187 Euro/t notierte der November-Termin rund 52 Euro/t niedriger als Anfang März.

Auch an der Warenterminbörse CBOT in Chicago/USA gaben die Kurse in den letzten Wochen deutlich nach. Der September-Termin des dort gehandelten Futterweizens gab seit Anfang März um über 100 Euro/t (!) nach. Gestern konnten die Kurse mit umgerechnet 185,06 Euro/t erstmals eine Stabilisierung verzeichnen.

Brotweizen an der Warenterminbörse KCBT in Kansas/USA wurde für den September-Termin mit umgerechnet 191 Euro/t gehandelt. Damit lag der Kurs 110 Euro/t unter dem Höchststand vom März.

Futterweizen an der Warenterminbörse LIFFE in London setzte seinen Abwärtstrend ebenfalls fort.

 

Der kräftige Rückgang der Energiepreise seit Mitte Juli hat die die Agrarrohstoff-Märkte zusätzlich stark unter Druck gebracht. Überraschend schlechte Konjunkturdaten in den USA und die Erwartung, daß die US-Energienachfrage sich schwächer entwickelt, werden für den Kursrückgang bei Rohöl verantwortlich gemacht.

 

Fakten

  • Osteuropa: Hohe Ernten - umfangreiche Exporte
    Für Preisdruck sorgen auch die erwarteten großen Getreideernten in Rußland und der Ukraine.

    In Rußland wird eine um 10 bis 15 % höhere Ernte als im Vorjahr (81,8 Mio.t) erwartet. Die russische Weizenernte könnte zur größten seit 30 Jahren werden. Nach einer Studie des Forschungszentrums Sovecon wird mit einer Ernte von 52,5 bis 54,2 Mio.t gerechnet (Vj.: 49,4). Andere Schätzungen liegen sogar noch über diesen Erwartungen. Damit könnte das russische Exportpotential bei Getreide einschließlich Mehl im laufenden Wirtschaftsjahr 2008/09 rund 5 Mio.t höher ausfallen als im Vorjahr (Vj.: 13,3).

    In der Ukraine hat das ukrainische Landwirtschaftsministerium seine Ernteerwartungen nach oben korrigiert und geht jetzt von einer rund 46 % höheren Ernte als im Vorjahr (Vj.: 29,3) aus. Regional wird von Ernteverlusten und mangelhafter Qualität berichtet, so daß der Anteil der Futterqualitäten größer ausfällt als zunächst erwartet. Damit wird für die Ukraine mit 10 bis 15 % größeren Exportmengen gerechnet. Für 2008/09 ist folglich mit sehr viel umfangreicheren Exporten zu rechnen, zumal im Vorjahr die Exportmengen zeitweilig durch Exportquoten und ein Exportstop niedrig gehalten wurden (Vj.: 4 Mio.t). Mangelnder Lagerraum und Logistikprobleme begrenzen jedoch nach wie vor die Exportmöglichkeiten.

    Baisse-Tendenz

 

Prognose
Die Renditeaussichten bei Agrarrohstoffen an den Warenterminmärkten sind erschöpft. An den Kapitalmärkten schichten daher die Investoren zur Zeit stärker von Rohstoffen in Aktien um. Die Kurse an den Rohstoffmärkten werden daher nach meiner Einschätzung vorerst noch weiter sinken, bevor es – allerdings spürbar langsamer – wieder aufwärts geht. Die trüben Aussichten für die Weltwirschaft bestärken diesen Abwärtstrend.

Dagegen dürften die Preise an den Getreidemärkten – aus meiner Sicht – die Talsohle erreicht haben. Ich gehe davon aus, daß die nächsten Tage zunächst eine Phase der Stabilisierung bringen könnten.

Das Wachstum in den Schwellenländern bleibt ungebrochen, auch wenn ich davon ausgehe, daß sich der Trend in den kommenden Jahren abschwächen wird. Die steigende Nachfrage dieser Regionen wird auch für eine steigende Nachfrage nach Agrarrohstoffen sorgen. Für eine Preisrallye wie im vergangenen Jahr fehlen derzeit jedoch die Preis-Phantasien, so daß ich mit nur allmählich anziehenden Kursen rechne.

Ausblick auf die (noch nicht ausgesäte) Ernte 2009
Noch ist die Ernte auf der Nordhalbkugel nicht abgeschlossen, doch schon sind es die Anbauaussichten für die nächste Saison, die die Preisbildung beeinflussen. Die Ernte 2008 stand und steht unter dem Vorzeichen der globalen Anbauflächenausdehnung, rekordverdächtiger Erntemengen und einem bedarfsdeckenden Angebot.

Für die Ernte 2009 muß – aufgrund der schwächeren internationalen Preise – mit einer Einschränkung der Anbauflächen gerechnet werden. Bei weiterhin hoher, evtuell sogar steigender Nachfrage gehe ich aus – nach heutiger Einschätzung – von wieder höheren Kursen aus. Eine echte Preisrallye ist jedoch nicht in Sicht.

 
 
 
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