Weizen: Preisexplosion !
S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 27.07.2006


Die Hitze treibt nicht nur das Quecksilber, sondern auch die Weizenpreise in die Höhe. Ernteeinbußen, Spekulationsgeschäfte und Verkaufszurückhaltung bieten ein ideales Hausse-Umfeld. Wie geht es weiter?

Erntefortgang im Galopp
Während in Südhessen nur noch vereinzelt Weizenbestände auf den Mähdrescher warten, ist die Weizenernte in der Wetterau und in Mittelhessen noch in vollem Gange. Auch in Nordhessen hat der Weizendrusch bereits begonnen. In Deutschland und in gang Europa läuft die Ernte auf Hochtouren.

Soviel läßt sich bereits heute zu den Produktionsergebnissen in Hessen sagen: Frühe Standorte konnten - auch aufgrund einer standortangepaßten Sortenwahl und Bestandesführung - gute Erträge und Qualitäten produzieren, das die Niederschläge des Frühjahrs und in der zweiten Mai-Hälfte voll genutzt werden konnten. Auch tiefgründige Standorte sorgen für eine ausreichende Wasserversorgung während der Vegetationszeit.

Als problematisch hinsichtlich der Erträge und Qualitäten kristallisieren sich immer mehr die späteren Standorte heraus. Vor allem spätere Sorten und eine späte Terminierung der Düngungs- und Betandespflegemaßnahmen gehen einher mit niedrigeren Erträgen durch Ährenreduzierung und hohem Schmachtkornanteil.

Die inneren und äußeren Qualitäten fallen in diesem Jahr sehr heterogen aus. Fallzahlen, Protein- und Sediwerte werden in den bisherigen Ernteregionen als insgesamt durchschnittlich bewertet. Handel und Verarbeiter zeigen sich mit den Qualitäten durchaus zufrieden.

Die Trockenheit in vielen EU-Ländern läßt jedoch die Ertragserwartungen sinken. Hitze und fehelnde Niederschläge in anderen Anbauregioen der Welt lassen die globalen Produktionserwartungen schrumpfen.

Marktlage - Rekordhitze bringt Preisanstieg
Die Weizenpreise ziehen in den von der Hitze betroffenen EU-Ländern rasant an. Nachdem die Ernteprognosen nach unten korrigiert wurden, reagierten die Produzenten mit großer Verkaufszurückhaltung. Neues Erntegut wird umfangreich eingelagert, so daß weniger Ware in den Verkauf kommt, als zur Erntezeit sonst üblich.

Da der weitere Preisverlauf stark an die weitere Wetterentwicklung gekoppelt ist, sichern viele Verarbeiter und Handelsbetriebe ihre Geschäfte an Warenterminmärkten ab. Daher schnellten die Kurse an der Warenterminbörse RMX in Hannover und an der Warenterminbörse Matif in Paris für die Liefertermine der neuen Ernte knaß nach oben. Mit insgesamt 19.371 Kontrakten erzielte die Matif einen neuen Handelsrekord.

Während die Kurse an der Warenterminbörse KCBT leicht nachgaben, wurde auch höherwertiger Weizen aus Rußland und der Ukraine wieder teurer. Die osteuropäischen Exporteure kaufen derzeit verstärkt Weizen ein, so daß die Preise trotz Erntezeit wieder leicht anzogen. Eine - aus europäischer Sicht - äußerst erfreulich Entwicklung. Ukrainische Weizenexporteure schlossen zuletzt Verträge für höherwertige Backqualitäten zu umgerechnet 100-105 Euro/t FOB Schwarzmeerhafen ab.

Die steigenden internationalen Preise ließen auch die Großhandelspreise in Deutschland steigen. So wurde Brotweizen an der Produktenbörse Mannheim mit 104,00-106,00 Euro/t rund 2,50 Euro höher bewertet als in der Vorwoche. Qualitätsweizen zog um rund 3,50 Euro auf 109,00-113,00 Euro/t franko Mühle an. Auch an den anderen Produktenbörsen zogen die Kurse seit der letzten Woche an.

An den Kassamärkten folgten die Erzeugerpreise bis zum Erntestart den starken Hausse-Impulsen, wie zum Beispiel die Erlöse der Mitglieder des Realpreissystems CASH! zeigen. Derzeit liegen die Erzeugerpreise für B-Weizen in Deutschland um rund 17 % über den Kursen ein Jahr zuvor. .

 

Fakten

  • Welt: Produktionsdefizit
    Der Internationale Getreiderat (IGC) hat am 27.07.2006 seine Prognose des internationalen Weizen-Verbrauchs 2006/07 um 9 Mio.t auf 596 Mio.t zurückgenommen. Bei einem Verbrauch von 611 Mio.t würde die Welt-Weizenproduktion den Bedarf ein weiteres Jahr verfehlen. Das rechnerische Produktionsdefizit liegt jetzt bei rund 15 Mio.t.

    in Mio. t
    Produktion
    Verbrauch
    Endbestände
    Welt
    Welt
    Welt
    Haupt- exporteure
    1999/00
    585
    582
    202
    52
    2000/01
    582
    584
    201
    53
    2001/02
    581
    586
    198
    50
    2002/03
    566
    601
    165
    43
    2003/04
    556
    596
    125
    40
    2004/05
    629
    616
    137
    55
    2005/06
    617
    622
    133
    54
    2006/07 Prognose vom:

    24.05.2006

    601
    612
    118
    44

    28.06.2006

    605
    613
    121
    45
    26.07.2006
    596
    611
    118
    43
    Hauptexporteure: Argentinien, Australien, EU, Kanada, USA
    Quelle: IGC

    Der weltweite Verbrauch steigt infolge der wachsenden Weltbevölkerung weiter. Die erwarteten Endbestände reichen für einen Zeitraum von 2,4 Monaten aus. Für die kommenden Jahre wird damit gerechnet, daß die Nachfrage schneller steigen wird als die Produktion.

    Hausse-Tendenz

 

  • EU-25: Trockenheit reduziert die Ertragserwartungen
    Am 29.06.2006 ging der EU-Dachverbandes des Getreide- und Futtermittelhandels (Coceral) noch davon aus, daß die EU-25-Landwirte mit 117,8 Mio.t Weizen eine um knapp 2 % bzw. um 2,5 Mio.t. höhere Ernte einbringen werden als im Vorjahr (115,3). Für diesen Produktionsanstieg sind vor allem Frankreich und Spanien verantwortlich, das nach der Dürreernte 2005 jetzt wieder eine normale Produktion erwartet.

    Seit Veröffentlichung der Prognose hat sich die Trockenheit in weiten Bereichen der EU verstärkt. Da nach der Coceral-Prognose die Anbaufläche leicht eingeschränkt wurde, basiert die Erwartung einer höheren Produktion ausschließlich auf höheren Flächenerträgen. Diese höheren Flächenerträge sind in den von Sommerhitze und Trockenheit besonders betroffenen Regionen der EU bereits nach unten korrigiert worden.

    Das internationale Handelshaus Toepfer, Hamburg schätzte am 20.07.2006 die Weizenproduktion der EU-25 jetzt auf 114,9 Mio.t um 0,3 % niedriger ein als im Vorjahr (Vj.: 115,3). Auch die Ernte in Deutschland wird mit 23,2 Mio.t schwächer prognostiziert (Vj.: 23,6).

    Vorhersage vom 26.07.2006
    Vorhersage vom 27.07.2006
    Quelle: Deutscher Wetterdienst (DWD)

    Deutschland ist nach Einschätzung des Deutschen Bauernverbandes ebenfalls von empfindlichen Ertragsverlusten betroffen, die regional mit bis zu 25 % beziffert werden. Auch aus Norddeutschland wird jetzt von Ernteeinbußen berichtet.
    Italien ist - insbesondere im Norden und in Mittelitalien - von der größten Trockenheit seit 30 Jahren betroffen. Die Weizenerträge dürften nach Schätzungen des nationalen Bauernverbandes 9,2 % unter denen des Vorjahres liegen.
    Frankreich geht nach offizellen Angaben jetzt nur noch von einer Produktion auf Vorjahresniveau aus.

    Ganz unter dem Einfluß der anhaltenden Trockenheit und der Befürchtung von Unwettern hat sich der Markt inzwischen auf eine Hausse-Phase am europäischen Weizenmarkt eingestellt. Unterstützung erhält diese Markteinschätzung durch die defizitäre weltweite Produktion, die auch in dieser Saison den internationalen Bedarf nicht decken kann.

    Selbst wenn sich in den kommenden Tagen herausstellen sollte, daß die EU-Produktion doch höher ausfällt, als von vielen in den letzten Tagen befüchtet, ist nicht zu erwarten, daß der Markt mit größerer Preisschwäche reagiert. Landwirtschaft und Handel lagern in großem Umfang Weizen ein, so daß kein Angebotsdruck zu erwarten ist. Mühlen und Futtermittelwerke haben bisher - in der Hoffnung auf rückläufige Preise während der Erntezeit - nur wenig Ware zugekauft, so daß noch ein hoher Bedarf bei den Verarbeitern besteht. Futtermittelwerke aus den Niederlanden treten inzwischen mit größerer Kaufbereitschaft am Markt auf. Brrot- und Futterweizenqualitäten werden derzeit fast preisgleich gehandelt: Ein klares Indiz dafür, daß die Futtermittelbranche, einer der Hauptabsatzmärkte für Weizen in Deutschland, noch einen enormen Nachholbedarf hat.
    Hausse-Tendenz

 

  • USA: Unerträgliche Hitze und Trockenheit
    In den USA haben Hitze und Trockenheit in den letzten Tagen ein beinahe unerträgliches Maß angenommen. Mittlerweile hat die Sonne die Böden zwischen Montana und North Dakota im Norden und New Mexico, Texas und den anderen Südstaaten ausgetrocknet. Auch das bisher von der Trockenheit noch weniger betroffene Kalifornien im Süd-Westen leidet seit Tagen unter Temperaturen von bis zu 48°C.

    In den USA hat die laufende Ernte zuletzt wieder zu leichtem Preisdruck geführt. Die US-Preise liegen infolge erheblich niedrigerer Ernteaussichten auf einem sehr hohen Niveau. Dürreschäden dürften bei den Ernteprognosen zu weiteren Reduzierungen bei den Produktionszahlen führen.

    Hausse-Tendenz

 

  • Osteuropa - Höhere Ernten als erwartet
    Die Weizenernte in Osteuropa fällt besser aus als noch im Frühsommer erwartet. Die optimale Wetterentwicklung erlaubte es den Pflanzenbeständen die Frühjahrsniederschläge optimal auszunutzen.

    Polen erwartet nach den offiziellen Statistiken 6,9-7,2 Mio.t (Vj.: 7,4) Winterweizen und 1,3-1,4 Mio.t (Vj.: 1,6) Sommerweizen. In Rußland wird die Produktion niedriger ausfallen als im Vorjahr (47,7), jedoch höher als zunächst befürchtet. Die Ukraine prognostiziert ihre Weizenernte mit 13,6 Mio.t (Vj.: 18,7) deutlich niedriger als im Vorjahr, jedoch höher als in den Vormonaten erwartet. Kasastan kann seine Produktion nach Aussage des Landwirtschaftsministeriums auf 15 bis 16 Mio.t (Vj.: 11,5) steigern.
    Hausse-Tendenz

 

Prognose
Die Sommerhitze erhitzt auch die Weizenmärkte. Die Marktbeteiligten haben sich auf steigenede Kurse eingestellt. Verkäufer halten in der Erwartung weiterer Preissteigerungen Ware zurück und lagern umfangreiche Mengen ein. Sollten Unwetter zu weiteren Ernteeinbußen führen oder Niederschläge die Ernte länger verzögern, ist mit einer weiteren Angebotsverknappung und weiteren Preissteigerungen zu rechnen.

Die Preisrückgänge am hochpreisigen US-Markt dürften nur von kurzer Dauer sein, da die US-Produktion sehr viel kleiner als im Vorjahr ausfällt und in den besonders trockenen Anbauregionen weitere Ernteeinbußen drohen. Der internationale Markt dürfte seinen Hausse-Trend wahrscheinlich fortsetzen.

Nach meiner Einschätzung dürften die Weizenpreise bereits während der laufenden Erntezeit auf der Nordhalbkugel auch auf Erzeugerebene wieder leicht anziehen. Nach Abschluß der Ernte ist mit stärkeren Preisanstiegen zu rechnen.

Da die Erntemenge in der EU trotz der bisherigen Ertragsrückgänge bedarfsdeckend ist, sollte bei der Verkaufsplanung sorgsam auf den richtigen Verkaufstermin geachtet werden. Nur solange das Angebot infolge der Verkaufszurückhaltung klein bleibt, können weitere Preisanstiege erwartet werden.

 
 
 
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