Weizen: Die Nervosität steigt

S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 20.03.2014


Anfang der Woche wurde an den Börsen erst einmal "Kasse gemacht". Dann drehte der Kurstrend bei Weizen wieder nach oben. Heute dominieren wieder rote Zahlen die Anzeigetafeln in den Börsensälen. Derzeit steuern zahlreiche Risikofaktoren den Preistrend.

 

Risikofaktor "Ukraine"
Als vor zwei Wochen die geopolitischen Konflikte in der Ukraine an Schärfe gewannen, zogen die Weizenpreise an den Börsen sprunghaft an. Auch am Kassamarkt fand der latente Preisdruck ein jähes Ende und Sofort- und Termingeschäfte erzielten leichte Aufgelder, - obwohl keine spürbare Nachfragebelebung beobachtet werden konnte.


Immerhin betraf die Krise den zweitgrößten Getreideexporteur der Welt. Für die EU war die Ukraine zuletzt der wichtigste Weizen-, Mais- und Rapslieferant. Festzustellen ist somit: Die Kurs-Rallye war bisher den Sorgen über mögliche Lieferstörungen geschuldet. Bisher hatten die geopolitischen Konflikte in der Schwarzmeer-Region nach offiziellen Zahlen keine Auswirkung auf die Schwarzmeer-Exporte:

  • Der Export der Ukraine erreichte nach Angaben des ukrainischen Landwirtschaftsministeriums vom 01. Juli bis zum 14. März insgesamt 25,66 Mio.t Getreide und lag damit 37,5 % über den Ausfuhren im selben Zeitraum des Vorjahres.

  • Der Export Rußlands lag nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums in Moskau für den Zeitraum 01. Juli bis 12. März mit 19,36 Mio.t Getreide um 38,98 % über dem Vorjahreswert. Zudem hat ein russisches Analystenhaus seine Exportprognose von bisher 23,1 Mio.t auf 24,0 bis 24,4 Mio.t Getreide angehoben.

Inzwischen konzentrieren sich die Sorgen auf die Frühjahrsaussaat und das Anbaujahr 2014. Denn die Anbauintensität in der Ukraine könnte unter der Krise leiden. Der Kursabsturz der ukrainischen Währung Griwna (Hrywnia) hat die Preise in der Ukraine stark steigen lassen und damit auch die Preise für Produktionsmittel, die inzwischen immer teurer importiert werden müssen, verteuert.

Die EU-Weizenexporte laufen so flott, daß die Lagervorräte schneller abschmelzen, als ursprünglich erwartet wurde. Das französische Analystenhaus Tallage hat daher seine Prognose für die EU-Weizenexporte 2013/14 inzwischen kräftig angehoben. Nachdem man bisher Exporte in Höhe von 24,3 Mio.t erwartet hatte, geht man jetzt von einem Allzeit-Rekord-Export von 25,6 Mio.t aus. Auch für die nächste Saison 2014/15 haben die Analysten ihre Ausfuhrerwartungen, die im Februar noch bei 21,7 Mio.t lagen, auf 22,4 Mio.t angehoben.


 Derzeit noch Hausse-Tendenz

 

 

Risikofaktor "Finanzmarkt"
Auch der Finanzmarkt entwickelt sich wieder zu einem unkalkulierbaren Risikofaktor. Gestern war es die US-Notenbank Fed, die im frühen Handel die Aktienmärkte auf Talfahrt brachte und im späteren Börsengeschäft den US-Dollar-Kurs steigen ließ.

Zunächst gab der Offenmarktausschuß der Fed gestern bekannt, den Leitzins in den USA unverändert auf dem historisch niedrigen Niveau von null bis 0,25 % zu belassen. Reduziert werden sollen jedoch die monatlichen milliardenschweren Ankäufe von Staatsanleihen und Hypotheken-Papieren. Das monatliche Volumen soll um 10 Milliarden Dollar auf 55 Milliarden Dollar verringert werden. Die Fed hält an ihrer Entscheidung fest, ihre weitere Leitzins-Politik an die Inflationsrate und die Lage am Arbeitsmarkt zu koppeln. Ende 2012 hatte die Fed zugesichert, ihre Quasi-Nullzins-Politik solange beizubehalten, wie die Arbeitslosenquote über 6,5 % liegt. Ausgehend von einem Höchstwert in der Krise von 10 % ist diese inzwischen auf 6,7 % gefallen.

Als in Europa bereits später Abend war, erklärte die neue Fed-Chefin Janet Yellen, möglicherweise bereits im Frühjahr 2015 – und damit früher als erwartet – die Zinswende einzuleiten. Daraufhin ging es bei den Aktienkursen weiter abwärts, während dann aber der US-Dollar-Kurs stieg. Das hatte gut nachvollziehbare Gründe: Denn die Ankündigung bedeutet, daß die Zinsen in den USA werden wohl schneller steigen werden, als dies von so manchem Analysten erwartet wurde.

Die Erwartung steigender Zinsen hat auch durchschlagende Wirkung auf den Agrarrohstoffmarkt, denn:

Investoren, die sich in den letzten Jahren mit billigem Geld versorgt haben, sind jetzt bemüht, ihr Kreditvolumen zurückzufahren. Der Einsatz von Kreditgeld im „Börsen-Roulette“ wird dann teurer.
Eine schnelle Erhöhung der Liquidität ist u.a. über den Ausstieg aus Rohstoff-Investments realisierbar. Zu erwarten ist daher, daß Liquidität auch stark von den Agrarrohstoff-Börsen abgezogen wird.

Investitionen im US-Dollar-Raum werden wieder attraktiver, so daß der US-Dollar-Kurs steigt.
Ein steigender Dollar-Kurs geht jedoch in der Regel Hand in Hand mit einem schwächeren Euro-Kurs. Davon dürften dann allerdings die EU-Exporte – auch bei Weizen – profitieren. Gestützt werden die Exporterwartungen zudem durch die vergleichsweise niedrigen Lagerbestände der Hauptexportländer und die Jahr für Jahr steigende Nachfrage.


 Baisse-Tendenz

 

 

Risikofaktor "Wetter"
An den Agrarrohstoff-Börsen lassen derzeit vor allem die Witterungsrisiken in den USA den Preistrend nach oben drehen. Denn in den USA zieht sich das kalte Winterwetter nur im Schneckentempo in den Norden zurück.


Eine noch größere Hausse-Wirkung hat inzwischen jedoch die wachsende Trockenheit in den Hard-Red-Winterweizen-Anbaugebieten im Süden der USA, die Sorgen bereiten. Unproblematisch ist die Lage im Nord-Osten der USA: Hier haben die Soft-Red-Winter-Weizenbestände in den letzten Wochen ausreichend Niederschläge erhalten und wurden in weiten Regionen von einer Schneedecke geschützt. Im Süd-Osten verschärft sich dagegen die Trockenheit und die Bonitierung der Feldbestände wird von Woche zu Woche schlechter.


Auch in einigen Regionen der EU bereitet ein wachsendes Niederschlagsdefizit Sorgen. In der Mitte und vor allem im Süden Deutschlands wartet man auf Regen. Aber auch in Teilen Frankreichs und in den baltischen Staaten wirkt sich der Regenmangel bereits negativ auf die Bestandsentwicklung aus.

Viel zu trocken ist es auch in der Schwarzmeerregion. Bei Temperaturen zwischen 0°C und 15°C ist in den letzten sechs Wochen nur die Hälfte des sonst üblichen Niederschlags gefallen. Für die nächsten Tage wird mit weiter steigenden Temperaturen gerechnet.

Auch in Australien wird es wenige Wochen vor der Aussaat immer trockener. Die Hitze ist zwar abgeklungen, doch noch immer fehlt der Regen. Abzuwarten bleibt, ob bis zur Aussaat doch noch ergiebige Niederschläge für eine ausreichende Bodenfeuchte sorgen. Sollte das Niederschlagsdefizit bestehenbleiben, dürfte die Nervosität am Markt dramatisch zunehmen.


 Derzeit noch Hausse-Tendenz

 

 

Risikofaktor "Ernteschätzung"
Trotz der regional aufgetretenen Aussaatprobleme haben sich die Weizenbestände in der EU-28 gut entwickelt. Das milde Winterwetter hat die Entwicklung gefördert, so daß sich die Bestände "gut", im Süden der EU sogar "sehr gut" präsentieren.

Das französische Analystenhaus Tallage hat daher seine Ernteerwartungen für 2014/15 seit der Februar-Prognose um 0,2 Mio.t auf 137,7 Mio.t angehoben und erwartet damit eine um 2 % höhere Weizenernte als im Vorjahr.

Niedrigere Ernteerwartungen gibt es für Rußland und die Ukraine.
Die satellitengestützte Ernteprognose der US-amerikanischen Firma MDA erwartet für Rußland eine Weizenernte in Höhe von 48,3 Mio.t und damit 1 Mio.t mehr als noch letzte Woche. Damit würde die Ernte jedoch fast 8 % niedriger ausfallen als im Vorjahr.

Die Erntererwartungen für die Ukraine wurden im Vergleich zur Vorwoche um 0,7 Mio.t auf 20,3 % nach unten korrigiert. Damit würde die Ernte 6,5 % kleiner als im Vorjahr ausfallen. Während hierzulande Bedenken bestehen, ob Anbauumfang und Anbauintensität das Vorjahresniveau erreichen, meldet das ukrainische Landwirtschaftsministerium, daß die Frühjahrsaussaat inzwischen auf 32 % der Flächen abgeschlossen worden ist und kommt zügiger voran kommt als im Vorjahr.

Die Ernteprognosen für die Welt-Weizen-Ernte 2014/15 schwanken derzeit zwischen 694 und 714 Mio.t. Nach Einschätzung einiger Analysten bestehen damit für 2014/15 noch immer Chancen für eine neue Rekordernte.


 Derzeit Baisse-Tendenz

 

 

Prognose
An den Agrarrohstoff-Börsen macht sich neue Spekulationslust breit. Viele Investoren spielen die "Ukraine-Karte" und setzten auf niedrigere Produktions- und Exporterwartungen für die Saison 2014/15.

Szenario 1: Weiter "schlechte Nachrichten"
Solange die "schlechten Nachrichten" zur politischen Lage in der Ukraine oder den Witterungsrisiken nicht abreißen, werden vor allem die spekulativen Anleger wieder viel frisches Geld in den Börsenhandel fluten lassen und damit den Hausse-Trend verstärken. Für Rendite-Hoffnungen sorgt derzeit zudem die Wetterlage in Australien und Hinweise, daß sich erneut das Wetterphänomen "El Niño" aufbaut. Sollte das Niederschlagsdefizit bestehenbleiben, dürfte die Nervosität am Markt dramatisch zunehmen und die Kurse in die Höhe treiben.

Szenario 2: Wetternormalisierung
Dennoch bestehen hohe Baisse-Risiken: Sollte sich das Anbauwetter verbessern und damit einen normale Entwicklung der Feldbestände rund um den Globus ermöglichen, dann werden die Investoren in großer Eile aus ihren Agrarrohstoff-Investments aussteigen. Das dürfte einen schnellen Kursrutsch verursachen und auch an den Kassamärkten Bremsspuren verursachen.
Forciert würde dieses Szenario durch die Erwartung der Anleger, daß die US-Notenbank im Frühjahr 2015 den Leitzins anheben könnte und damit das im Börsenhandel zirkulierende "Kreditgeld" verteuert.

Am Kassamarkt dürften daher in den kommenden Wochen die Preise dem Rhythmus des Börsenthermometers folgen. Je nach Nachrichtenlage ist mit teils großen Preisausschlägen nach oben oder unten zu rechnen.

 
 
 
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