Weizen in der Winterstarre
Dipl.-Ing. agr. S. Linker  sabine.linker@llh.hessen.de
Stand: 14.12.2004


Nach den Höhenflug der Preise nach der Ernte 2003 brachte die Weizen-Ernte 2004 die Wende. Der rasante Kursrutsch beförderte die Preise in ein tiefes Preistal. Die Winterstarre dauert an.

Marktlage
Mit der Rekordernte 2004 wurde nicht nur in Deutschland sondern EU-weit ein rasanter Preisverfall an den Weizenmärkten eingeleitet. Nachdem bereits seit den 90er Jahren die Weizen-Preise - aufgrund des immer stärkenren Einflusses durch den Weltmarkt - tendenziell rückläufig waren, brachte das Dürrejahr 2003 in der EU eine noch nie gekannte Ausnahmeerscheinung: Noch während der Ernte zogen die Kurse steil an. Die hohen Verkaufspreise ermöglichten den Landwirten trotz erheblich geringerer Flächenerträge zumeist höhere Einnahmen pro Hektar.

Mit der Ernte 2004 gerieten die Kurse in's Rutschen und erreichten Anfang November 2004 ihren niedrigsten Stand. Seitdem konnten sich die Preise leicht stabilisieren.

Auf Großhandelsebene notierte Brotweizen an der Produktenbörse Hamburg zur prompten Lieferung zuletzt bei 107-109 Euro/t netto franko für die Lieferung im Dezember bis Januar. An der Produktenbörse Mannheim wurde der Brotweizen-Preis mit 100-101 Euro/t notiert. An der Produktenbörse Frankfurt lag Brotweizen unverändert bei 100-104 Euro/t.

Die schlechte Stimmung an den Kassamärkten macht sich auch an den Warenterminmärkten bemerkbar. An den europäischen Warenterminbörsen geben die Kurse seit Wochen weiter nach. An der WTB/Hannover notierte der Februar-Termin mit zuletzt 105 €/t rund 0,50 Euro/t unter dem Durchschnitt der Vorwoche.An der MATIF/Paris konnten sich die Kurse zuletzt stabilsieren, so daß der Termin Januar 2005 mit zuletzt 107 Euro/t rund 0,25 Euro/t über dem Durchnschnittskurs der Vorwoche festgesetzt wurde.

Auch die späteren Termine bis Mitte des kommenden Jahres entsprachen dem Kursverlauf des Front-Termines.

Auf dem internationalen Börsenpakett notierte Weizen mittlerer Backfähigkeit an der KCBT, Kansas/USA nach dem Kurstief in der ersten Oktoberwoche jetzt wieder etwas stabiler.

Fakten

  • IGC und USDA erwarten jetzt noch größere Welt-Weizen-Ernte
    In seiner Prognose von 25.11.2004 hat der Internationale Getreiderat (IGC) die weltweite Produktionsschätzung für 2004/05 um 1 Mio.t auf 618 Mio.t im Vergleich zum Vormonat nach oben korrigiert. Dmit läge die Produktion rund 64 Mio.t über dem Ergebnis der Saison 2003/04. Die Endbestände in Höhe von 138 Mio.t (darunter Hauptexporteure: 50 Mio.t) steigen im Vergleich zur Vorsaison um um 12 Mio.t.

    In der neuesten Prognose des US-Landwirtschaftsministerium (USDA) vom 10.12.2004 wurde die weltweite Produktionsschätzung für 2004/05 um über 1,3 Mio.t auf 618,3 Mio.t im Vergleich zum Vormonat angehoben. Größere Mengen sieht das USDA in der EU und in Kanada. Eine kleinere Weizenernte steht jedoch in Australien in Aussicht.

    Vertraut man der neuen US-Schätzung würde die neue weltweite Weizenernte 2004/05 den prognostizierten Verbrauch von 606 Mio.t um fast 12 Mio.t übersteigen. Damit übertrifft die Produktion zum ersten Mal seit sechs Jahren den weltweiten Verbrauch, so daß es zu einem Bestandsaufbau kommt. Nicht nur weltweit, sondern auch bei den Hauptexporteuren wird jetzt ein deutlicher Bestandsaufbau erwartet.

    in Mio. t
    Produktion
    Verbrauch
    Endbestände
    Welt
    Haupt- exporteure
    Welt
    Welt
    Haupt- exporteure
    1999/00
    585,9
    226,7
    591,6
    170,1
    51,9
    2000/01
    583,6
    232,3
    590,1
    168,8
    52,1
    2001/02
    580,8
    204,2
    585,1
    202,3
    47,9
    2002/03
    566,9
    206,8
    601,4
    167,6
    40,6
    2003/04
    551,4
    232,2
    588,0
    131,0
    36,5
    2004/05 Prognose vom:

    10.06.2004

    593,4
    245,1
    595,8
    126,4
    42,0

    12.08.2004

    608,6
    250,5
    598,6
    142,3
    46,9
    10.12.2004
    618,3
    256,4
    606,4
    142,8
    46,1
    Hauptexporteure: Argentinien, Australien, EU, Kanada, USA
    Quelle: USDA

    Der weltweite Verbrauch bleibt nach wie vor auf einem hohen Niveau. Das Wachstum der Weltbevölkerung läßt auch in den nächsten Jahren einen steigenden Verbrauch erwarten.
    Baisse-Signal

  • Weizen-Ernte in der EU
    Die Weichweizenproduktion aus der Ernte 2004 übertrifft in der EU-25 mit 124,5 Mio.t die Vorjahresernte (97,9 Mio.t) um rund 26,6 Mio.t. Die geht aus den Zahlen, die der europäische Getreidehandelsverband Coceral jetzt veröffentlicht hat. Von dem Zuwachs stammen 18,2 Mio.t aus den Ländern der alten EU-15 und 8,4 Mio.t aus den neuen EU-10-Ländern. Deutlich mehr Weichweizen gibt es auch in den beiden EU-Beitrittsländern Rumänien und Bulgarien, die 2004 mit zusammen 7,4 Mio.t eine um rund 4,2 Mio.t höhere Weichweizen-Ernte als im Vorjahr einbringen konnten.

    Weizen-Produktion (in Mio. t)
     
    Deutsch-
    land
    EU-15
    EU-10
    EU-25
    Rumänien
    Bulgarien
    Ernte 2002
    20,79
    93,96
    20,54
    123,59
    7,80
    Ernte 2003
    19,29
    81,91
    15,97
    97,88
    3,11
    Ernte 2004
    25,35
    100,11
    24,40
    124,51
    7,35

    In den alten EU-Ländern konnten die großen Weichweizenproduzenten Frankreich und Deutschland die höchsten Zuwächse erzielen. In den neuen EU-Ländern fällt insbesondere die höhere Erzeugung in Tschechien, Polen und Ungarn ins Gewicht.
    Baisse-Signal

Prognose
Die fundamentalen Daten des Weizen-Marktes lassen kaum Hoffnungen auf eine Trendwende keimen. Die statistischen Daten erweisen sich als genauso erdrückend für die Marktentwicklung wie die real eingelagerten Weizen-Berge, die noch immer auf besserere Zeiten warten.

Ich erwarte für die letzten Handelswochen des laufenden Jahres keine gravierenden Änderungen mehr. Das Geschäft verläuft in äußerst ruhigen Bahnen. E-Weizen findet inzwischen wieder in stärkerem Maße Abnehmer im EU-Binnenmarkt. E-Weizen und in bescheidenerem Umfang auch A-, B- und C-Weizen können moderate Preisaufschläge realisieren, die sich jedoch an der Dringlichkeit des Bedarfs der Verarbeiter orientieren. Bis in den Januar hinein zeigen sich Mühlen und Futtermittelwerke insgesamt gut versorgt.

Das derzeit einzige Ventil für eine echte, durchschlagende Marktentlastung wäre ein umfangreicher Export in Drittländer. Aufgrund des äußerst schwachen US-Dollars konkurriert EU-Weizen am Weltmarkt mit einem großen und preisgünstigen Angebot aus anderen Exportnationen. Die Exportbrache hofft daher auf die Vergabe von EU-Exporterstattungen im kommenden Jahr

 
 
 

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