Getreide: Gewinnmitnahmen versus Wetter-Spekulation


S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 31.08.2012


Deutlich kleiner als erwartet ist die Getreideernte auf der Nordhalbkugel ausgefallen. Wie eng die globale Versorgungsbilanz ausfallen wird, hängt nicht nur vom Exportpotential und der anstehenden Wintergetreide-Aussaat auf der Nordhalbkugel ab, sondern auch von den Ernteerwartungen auf der Südhalbkugel.

 

Marktlage
In den letzten Tagen geriet die Preis-Rallye bei Weizen, Körnermais und anderen Getreidearten an den Warenterminbörsen ins Stocken und zweitweise standen die Kurse sogar unter Druck. Diesseits wie auch jenseits des Atlantiks haben die Investoren an den Börsen die "Dürre-Meldungen" und die Abwärtskorrektur der Ernten in vielen wichtigen Anbau- und Exportregionen auf der Nordhalbkugel inzwischen eingepreist.

Neue Hiobs-Botschaften von der Wetterfront fehlen derzeit und so bleiben die Marktakteutre an den Börsen vor dem morgen beginnenden Notenbanker-Treffen in Jackson Hole zunächst einmal in Deckung.

Für Unsicherheit sorgt auch das für morgen angesetzte "russische Ernte-Gespräch" der Moskauer Regierung mit Vertretern der Agrarindustrie und Agrarexperten. Zentrale Themen auf der Tagesordnung sollen die russischen Ernte und der Export Rußlands sein. Bisher hatte die russische Regierung immer betont, keine neuen Exportrestriktionen zu planen. Abzuwarten bleibt dennoch, welche Signale von dem Treffen ausgehen werden.

Am Kassamarkt hat sich Getreide infolge des schwachen Angebotes erneut verteuert. Derzeit kommen nur wenige Neugeschäfte zustande. Die Verkäufer spekulieren auf weitere Kursanstiege. Verbesserte Exportmöglichkeiten für EU-Getreide stützen das hohe Preisniveau.

 

 

Fakten

  • Rußland: Deutlich niedrigeres Exportpotential
    Rußland wird in diesem Jahr wie bereits erwartet deutlich weniger Getreide exportieren als im Vorjahr. Die russische Getreideernte wird nach offiziellen Angaben jetzt auf 75 Mio.t geschätzt. Noch Anfang des Jahres war Rußland von 94 Mio.t ausgegangen, der gleichen Menge wie 2011. Dann wurde die Schätzung auf 80 Mio.t korrigiert. Am 23.08.2012 revidierte Landwirtschaftsminister Nikolai Fjodorow die Prognose nochmals um 5 Mio.t nach unten.

    Er verwies darauf, daß im Dürrejahr 2010 die Ernte nur bei 60 Mio.t gelegen habe. Da der Inlandsbedarf bei 70 Mio.t Getreide liegt, fallen die russischen Exporte in diesem Jahr deutlich geringer aus. Moskau geht von einem Exportpotential von 10 bis 12 Mio.t aus, nachdem im Vorjahr noch knapp 22 Mio.t erzielt wurden. Andere Analysten gehen davon aus, daß die Exporte noch deutlich niedriger ausfallen könnten.

    Der russische Landwirtschaftsminister betonte dennoch, daß das ihm unterstellte Ministerium entschieden gegen Einschränkungen für den Getreideexport auftrete. Dies würde sowohl den russischen als auch den Weltmarkt negativ beeinflussen, so der Minister.

    Aktuell läuft der Getreideexport aus Rußland noch recht flott. Nicht nur Ägypten - der größte Weizen-Importeur am Weltmarkt - ist weiterhin ein wichtiger Kunde in Rußland. Ende letzter Woche kaufte Ägypten 120.000 t russischen Weizen.

     Hausse-Tendenz

 

  • Australien: Kommt El Niño wieder?
    Inzwischen wächst die Befürchtung, daß auf der Südhalbkugel das mit Hitze und Trockenheit verbundene Wetterphänomen El Niño die Ernteerwartungen für die Südhalbkugel schrumpfen läßt.

    Nicht nur das australische Landwirtschaftsministerium hat seine Ernteerwartungen für 2012/13 zwischenzeitlich nach unten korrigiert. Auch die Rabobank geht inzwischen davon aus, daß die australische Weizenernte 15 % niedriger als im letzten Jahr ausfallen könnte. Vor allem die zunehmende Dürre im Westen veranlaßt die Analysten zu einer Neueinschätzung der Ernteerwartungen.

    Zunehmendes Niederschlagsdefizit in Australien
    01. April bis 30. Juni 2012 01. April bis 31. Juli 2012

    Der von der Trockenheit zunehmend betroffene Bundesstaat "Western Australia" hat einen hohen Anteil an der australischen Ernte: Im letzten Jahr wurde dort knapp 40 % der australischen Rekord-Weizenernte produziert.

     
    Erntejahr 2011/12
     
    Erntemenge Australien
    darunter "Western Australia"
    Anteil "Western Australia"
    Weizen
    29,5 Mio.t
    11,7 Mio.t
    39,7 %
    Gerste
    8,6  Mio.t
    2,6  Mio.t
    30,7 %
    Rapssaat
    2,8  Mio.t
    1,2  Mio.t
    41,6 %


    Ob in "Western Australia" die noch im Juni prognostizierten 8,7 Mio.t Weizen geerntet werden können, ist zunehmend fraglich. Denn alle paar Jahre tritt eine großräumige Erwärmung des tropischen Pazifiks auf, die auch mit extremen Wetterkapriolen einher geht. Nun bahnt sich ein neuer "El Niño" an.

    Nicht nur die Meteorologen in Australien, sondern bei vielen Wetterämtern rund um den Globus befürchteten seit einiger Zeit, daß sich in den nächsten Monaten verstärkt das Wetter-Phänomen „El Niño“ im pazifischen Ozean aufbaut. „El Niño“ könnte die Lage auch in den trockenen australischen Anbaugebieten verschärfen. Doch auch andere Länder wären betroffen, da die überdurchschnittlichen Wasser-Temperaturen in der pazifischen Äquatorial-Region für Wetter-Kapriolen rund um den Globus sorgen.

     Hausse-Tendenz

 

Prognose
Aktuell entwickelt sich der Preistrend für Weizen und andere Getreidearten angesichts Hausse-trächtiger fundamentaler Daten sehr fest. Unsicherheit besteht nicht nur in Bezug auf das Exportpotential wichtiger Exportstaaten auf der Nordhalbkugel, sondern auch hinsichtlich der Wetterentwicklung auf der Südhalbkugel. Aufmerksam wird daher derzeit der Monsun-Regen in Indien, die Wetterentwicklung in Brasilien und Argentinien oder das wachsende Niederschlagsdefizit in Australien verfolgt.

Eine erneut länger werdende Liste an Unsicherheitsfaktoren sorgt für Risikoaufschläge an den Getreidemärkten:
• Exportpotential der USA (Weizen, Mais, Soja ...),
• Exportpotential Rußlands (Weizen, Gerste ...),
• Exportpotential der Ukraine (Weizen, Mais, Gerste ...),
• Ernteerwartungen in Australien und Südamerika (El Niño ...),
• Auswirkung der Konjunkturentwicklung auf den globalen Importbedarf wichtiger Einfuhrländer,
• Importbedarf der VR China (Sojabohnen, Rapssaat, Gerste ...),
• Aussaatbedingungen auf der Nordhalbkugel zur Ernte 2013.

Nach meiner persönlichen Einschätzung sorgen die realwirtschaftlichen Angebots- und Nachfrageverhältnisse weiterhin für einen festen Preistrend. Für leichte Hausse-Signale sorgen zudem die Unsicherheitsfaktoren. Sie werden jedoch - in Abhängigkeit von der täglich wechselnden medialen Berichterstattung - unterschiedlich stark gewertet.

Auch in der nächsten Zeit dürften nach meiner persönlichen Einschätzung etliche Hausse-Faktoren:
• die fundamentalen Daten,
• der geringere Wettbewerbsdruck aus Osteuropa wie auch den USA und damit
• die besseren Exportmöglichkeiten für die EU wie auch
• die in vielen Ländern wieder anziehende Teuerung bei Nahrungsmitteln
den festen Preistrend stützen.

Dennoch sollten die Baisse-Faktoren nicht außer Acht gelassen werden:
• die global schwächere Konjunkturentwicklung,
• die Kaufzurückhaltung angesichts des hohen Preisniveaus,
• die Risiken, die von der Banken- und Staatsschuldenkrise ausgehen.

Fazit: Nicht nur für den Verkauf der Ernte 2012, sondern auch für die Vermarktung der kommenden Ernten - 2013 und 2014 - sollte nach meiner Einschätzung der Markt stetig beobachtet werden. Das vergleichsweise hohe Preisniveau bietet unter kaufmännischen Gesichtspunkten gute Rendite-Chancen vom Acker.

 
 
 
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