Börse am Vortag: Euro und Feldfrüchte auf der Überholspur

S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 16.07.2010


Trübere Konjunkturaussichten in den USA, ein leichte Abschwächung der chinesischen Wirtschaft, ein schwächerer Dollar, ein dümpelnder Rohölmarkt und Ernteausfälle in wichtigen Produktionsländern: Wen wundert es da, daß Agrarrohstoffe an den Warenterminmärkten wieder voll im Trend stehen. Die Kurse explodierten gestern regelrecht.

 

Devisen & Konjunktur
Der Euro konnte gestern kräftig zulegen. Weitere neue schwache Konjunkturdaten aus den USA verleihen unserer Gemeinschaftswährung weiteren Auftrieb. Gestern wurde der Euro-Referenzkurs der Europäischen Zentralbank (EZB) mit 1,2828 US-Dollar festgesetzt. Am heutigen Vormittag pendelt der Euro deutlich oberhalb der Marke von 1,29 Dollar.

Zunehmend gerät die sich eitrübende US-Konjunktur in den Focus an den Kapitalmärkten, so daß das EU-Schuldenproblem in den Hintergrund gerät (siehe Beitrag vom 15.07.2010).

 

Energie
Die gedämpften Konjunkturprognosen belasten auch den Rohöl- und Energiemarkt. Nachdem sich Rohöl seit Mitte letzter Woche stetig verteuerte, brachten die neuen US-Konjunktursorgen dem Markt auch gestern Verluste. Zudem ließen die erneut höheren US-Lagerbestände bei Öl, die das amerikanische Energieministerium gestern veröffentlicht hat, die Kurse sinken.

Ein Barrel (1 Faß = 159 Liter) der US-amerikanischen Referenzsorte West Texas Intermediate (WTI) zur Auslieferung im August hat sich im frühen Vormittagshandel unterhalb der 76,50 Dollar-Marke eingependelt. Auch Nordrohöl der Sorte Brent wurde am frühen morgen um die Marke von 76,80 Dollar gehandelt.

 

Agrarrohstoffe
Jetzt hat auch Bulgarien seine Ernteerwartung nach unten korrigiert. Die Ernteerwartungen für Weizen wurden um 12,5 % auf nur noch 3,5 Mio.t zurückgenommen. Doch in Bulgarien ist es nicht die Hitzewelle wie in anderen europäischen Staaten, hier sind es ungewöhnlich schwere Regenfälle, die zu den Verlusten führen.

Der Vollständigkeit nachfolgend die Liste der Staaten, die ihre Produktionserwartungen nach unten korrigiert haben: Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Kanada, Kasachstan, Marokko, Ungarn, Ukraine und Rußland. Nicht ausgeschlossen ist, daß auch China und Indien ihre Ernteprognosen zurücknehmen müssen.

Nachrichtensender und Videobeiträge im Internet zeigen derzeit Bilder kümmerlichster Getreidebestände in Zentralrußland. Diese Bilder bleiben nicht ohne Wirkung. Angesichts abbröckelnder Renditeerwartungen an anderen Märkten (siehe oben) signalisieren Weizen, Raps & Co. an den Terminbörsen Spitzenprofite. Jede neue Hitzewelle kommt da gerade recht.

An den europäischen Märkten notierte Paris-Weizen den August-Termin mit 165,00 Euro/t um +10,25 Euro (!) höher als am Vortag. Spätere Termine zogen sogar bis zu +5,50  Euro/t an. Auch an den US-amerikanischen Warenterminmärkten erzielte Weizen gestern weitere Kursgewinne.

Paris-Mais konnte zwar mit 175,25 Euro/t erstmals wieder richtig zulegen und stand im Vergleich zum Vortag mit +6,25 Euro im Plus. Der November-Termin schloß +8,50 Euro/t höher als am Vortag.

Auch Sojabohnen, Sojaschrot und Sojaöl erzielten an den transatlantischen Börsen wieder deutlichere Kursanstiege, zumal sich in den USA die Wetterprognosen ungünstiger entwickeln.

Paris-Raps setzt seine Preisrallye mit wachsender Rasanz fort. Der August-Termin zog um beachtliche +12,25 Euro (!) auf 371,25 Euro/t an. Spätere Termine konnten sich ebenfalls kräftig verbessern.

Der Paris-Braugerste wurde für die November-Fälligkeit mit 188,50 Euro/t um +8,25 Euro/t höher als am Vortag notiert.

 

Ausblick
Für den heutigen Handelstag bleibe ich bei meinen vorhergehenden Prognosen. Nach meiner persönlichen Einschätzung dürfte die von den Marktteilnehmern erwartete niedrigere Produktion in wichtigen Exportländern den Hausse-Trend weiter stärken. Die globalen Anbau- und Ernteaussichten bei den Schlüssel-Agrarrohstoffen lassen für die Ernte 2010/11 eine defizitäre Produktion erwarten, so daß der Aufwärtstrend aktuell noch umgebrochen ist.

Bei aller Freude über die nach oben schnellenden Preise sollte nicht übersehen werden, daß das im Markt befindliche Spekulationskapital kräftig an dem Kursanstieg beteiligt ist. Es gilt daher die Marktentwicklung täglich (!) zu beobachten, um neue Markttrends rechtzeitig zu erkennen.

Angesicht der beunruhigenden US-Konjunkturaussichten dürfte sich der Euro-Kurs weiter erholen. Trotz der schwächeren Wirtschaftserwartungen in den USA dürften die noch immer boomende Konjunktur in den Schwellenländern und der schwächere US-Dollar in Kürze auch wieder für Kursanstiege bei Rohöl sorgen.

 
 
 


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