Ernte 2014: Mit welchen Preisen kann man rechnen?


S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 29.03.2014


Der Getreide- und Rapssaatenmarkt befindet sich seit Wochen im Ausnahmestatus. Zahlreiche Produktions- und Angebotsrisiken brachten die Börsenkurse auf Trab und sorgten am Kassamarkt für kräftige Unterstützung. Mit welchen Preistrends kann man zur Ernte 2014 rechnen?

 

Marktlage
Nicht nur die Ukraine-Krise, sondern zahlreiche weitere Produktions- und Angebotsrisiken ließen die Getreide- und Ölsaatenkurse an den Börsen in den letzten Wochen kräftig steigen. Die Risikoprämien brachten auch für den Kassamarkt kräftige Unterstützung.

Dabei signalisieren die fundamentalen Daten von Angebot und Nachfrage weiterhin ganz klar eines: Die globalen Ernteerwartungen zur Ernte 2014/15 liegen auf hohem Niveau. Die aktuellen Angebot-Nachfrage-Bilanzen lassen - auch aufgrund der vorhandenen Lagervorräte aus vorherigen Ernten - eine komfortable globale Versorgungslage erwarten.
Da bedeutet, daß der seit Februar aktive Aufwärtstrend momentan den latenten Preisdruck noch aushebelt.

An den Börsen löste das wachsendes Hausse-Spekulationspotential in den letzten Wochen eine wahre Kurs-Rallye aus. Die Rendite-Hoffnungen an den Börsen wurden geweckt durch:
• die Ukraine-Krise und die Angst vor Lieferausfällen,
• die Trockenheit in der EU bzw. den USA und die Angst vor Produktionsausfällen.

Wen wundert es da, daß sich die Käufer am Realmarkt zunächst zurückgezogen haben. Lediglich bei dringendem Bedarf signalisieren Mühlen, Futtermittelhersteller und Exporteure derzeit Kaufinteresse. Da auch die Anbieter nicht bereit sind, Preiszugeständnisse zu machen und zudem das Angebot saisonbedingt immer kleiner wird, kommt allerdings am Kassamarkt kein Preisdruck auf. Einzelpartien erzielen bei dringlichem Bedarf auch weiterhin Preisaufschläge.

Seit den "Genfer Beschlüssen" ist die Ukraine-Krise an den Börsen etwas in den Hintergrund getreten. Seit Wochenbeginn sind statt dessen an den Börsen die realen Ernteaussichten und damit die globalen Versorgungsbilanzen in den Fokus gerückt. Für die Erntetermine macht sich bei Back- und Futterweizen der latente Preisdruck wieder bemerkbar, während Rapssaaten und Mais einem stabilen Preistrend folgen.

Das Kaufinteresse an prompter 2013er Ware, - vor kurzen noch unter Gewährung von Prämien gesucht -, ist zuletzt deutlich erlahmt. Neugeschäfte kommen nur selten zustande. Wurde vor kurzem noch über Brotweizen-Preise von 185 bis 215 Euro/t netto je nach Liefermenge und Parität verhandelt, so liegen die Preisangebote in der Spitze zwischenzeitlich rund 5 Euro/t niedriger.

Temperaturen in den USA


Während das Interesse der Produzenten wächst, jetzt noch Geschäfte ex-Ernte unter Dach und Fach zu bringen, haben die Käufer ihre Aktivitäten stark zurückgefahren und spekulieren auf künftige Preisrückgänge. Die ex-Ernte-Preise für Brotweizen werden mit 180 bis 195 Euro/t netto je nach Liefermenge und Parität verhandelt, in Bedarfsgebieten liegt der Preis auch 10 Euro/t höher. Geschäftsabschlüsse kommen jedoch nur selten zustande.

 

 

Ernteerwartungen 2014

  • Deutschland: Ernteerwartungen knapp unter Vorjahresniveau
    In Deutschland haben Niederschläge seit der letzten Woche den Wachstumsstreß vielerorts entspannt. Mit einem Vegetationsvorsprung von zwei bis drei Wochen kündigt sich ein früher Erntebeginn an.

    Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) hat in seiner zweiten Ernteschätzung seine Erwartungen leicht nach oben korrigiert. Mit 47,3 Mio.t wird eine Getreideernte knapp unter dem Vorjahresergebnis (47,7 Mio.t) vorhergesagt. Die Weizenernte wird mit 24,8 Mio.t knapp unter dem Vorjahresniveau (25,0 Mio.t) prognostiziert.

    Temperaturen in den USA


    Bei Wintergerste erwartet der DRV mit 8,6 Mio.t eine um 1,9 % höhere Ernte als im Vorjahr (8,4 Mio.t). Infolge des Anbaurückgangs bei Roggen (-16,7 %) wird mit einem Produktionsrückgang um 19,6 % auf 3,8 Mio. t gerechnet (VJ: 4,7 Mio.t). Für Rapssaat wird mit rund 5,5 Mio.t eine Erntemenge leicht unter Vorjahresniveau (5,8 Mio.t) prognostiziert.

     Getreide: Baisse-Signale durch EU- und Welt-Ernteerwartungen

 

  • EU: Höchste Ernteerwartungen seit 2010
    Die EU-Kommission erwartet zur kommenden Ernte eine Getreideerzeugung in Höhe von 300 Mio.t. Aufgrund der um 0,5 Mio. Hektar größeren Anbaufläche wird mit der zweitgrößten EU-Weizenernte gerechnet. Da die Produktion in Höhe von 135,4 Mio.t jedoch nur einem Inlandsbedarf von 115,1 Mio.t gegenübersteht und der Export um 4,5 Mio.t niedriger geschätzt wird, rechnet die EU-Kommission mit einem Anstieg der Lagerbestände um 1,5 Mio.t. Auch bei den anderen Getreidearten wird mit einem leichten Anwachsen der Lagervorräte gerechnet.

    Die Rapsernte wird mit 30,3 Mio.t knapp unter dem Vorjahresniveau (30,4 Mio.t) prognostiziert. Da die EU-Kommission zuletzt noch von einem im Vergleich zum Vorjahr unveränderten Importvolumen in Höhe von 16,1 Mio.t ausging, weist die Angebot-Nachfrage-Bilanz keine Veränderungen bei den Lagervorräten aus.

    Auch der europäische Getreidehandelsverband Coceral ging in seiner Prognose vom 27.03.2014 von einer um 0,3 % niedrigeren Weichweizenproduktion (135,9 Mio.t) und einer um 6,9 % geringeren Gerstenproduktion aus, während die Rapsproduktion (21,2 Mio.t) um 1,9 % höher geschätzt wird. Auch das Analystenhaus OilWorld erwartet mit 21,5 Mio.t eine 200.000 t größere Rapsernte als im Vorjahr

     Getreide: Baisse-Signal, Rapssaat: z.Z. Soja-Komplex orientiertes Hausse-Signal

 

  • Welt: Bedarfsdeckend - aber nur bei normalem Witterungsverlauf
    Die globale Getreideernte soll um rund 1,9 % auf 1.935 Mio.t zurückgehen. Der Internationale Getreiderat (IGC) hat am 25.04.2014 in seiner zweiten Prognose für das Wirtschaftsjahr 2014/15 seine Erwartungen allerdings um 14 Mio.t nach unten korrigiert.

    Bei Weizen rechnen die Analysten des IGC mit einer globalen Ernte in Höhe von 697,5 Mio.t und damit einem Rückgang um rund 1,6 % zum Vorjahr. Die Welt-Maisproduktion soll mit 950,2 Mio.t um 1,6 % kleiner ausfallen. Dagegen progostiziert der IGC bei Sojabohnen einen weiteren kräftigen Produktionsanstieg um 3,9 % auf 282,3 Mio.t. Das Analystenhaus OilWorld erwartet mit 68,2 Mio.t Rapssaat für 2014/15 eine niedrigere globale Rapsernte als im Vorjahr.

    Das bedeutet, daß die Produktion gerade einmal den Bedarf deckt, obwohl der Anstieg des internationalen Verbrauchs bei Getreide mit 1,0 % und bei Sojabohnen mit 4,6 % geringer ausfällt soll als in den Vorjahren.

    Aufgrund der Überhangbestände aus vorangegangenen Ernte bieten die globalen Endbestände (Getreide: -0,1%, Weizen: -1,9 %, Mais: +3,3 %, Soja: +3,9 %) keine Hausse-Signale.

     Baisse-Signal aufgrund insgesamt stabiler Welt-Lagervorräte

 

 

Prognose
Die Aussicht auf gute Ernten auf der Nordhalbkugel spricht für eine Entspannung der derzeit noch knappen Angebotslage insbesondere bei Mais und Sojabohnen. Im physischen Handel setzten die Marktbeteiligten auf fallende Preise. Auch im internationalen Exportgeschäft zeichnet sich angesichts
• der guten Ernteaussichten und
• der Spekulation auf anstehende Rabattchancen
ein nachlassendes Interesse der Importeure ab.

Damit stehen derzeit auch an der Preisfront die Zeichen auf Entspannung. Nicht nur am Realmarkt setzen die Marktakteure auf fallende Preise und schieben Neugeschäfte zunächst hinaus. Auch an den Börsen hat sich die Stimmung merklich abgekühlt, seitdem Regen in Europa und Nordamerika die Anbaubedingungen verbessert hat.

Angesichts der schwachen Rendite-Aussichten an der Börse steigen inzwischen viele Investoren wieder aus dem Agrarrohstoffgeschäft aus. Zuletzt hat das britische Bankhaus Barclays angekündigt, den überwiegenden Teil der weltweiten Rohstoff-Aktivitäten aufzugeben. Ähnlichen Entscheidungen hatten zuvor bereits die Finanzinstitute Deutsche Bank, JPMorgan Chase, Morgan Stanley u.a. gefällt und sich angesichts der sinkenden Erlöse ebenfalls aus Teilbereichen des Rohstoffhandels - darunter dem Agrarrohstoffhandel - zurückgezogen.

Damit fehlen vorerst viele spekulativ eingestellte "Big Player" an den Agrarrohstoffbörsen, so daß
• die Volatilität an den Börsen zurückgehen dürfte,
• die fundamentalen Daten einen größeren Stellenwert erlangen dürften und
• der latente Preisdruck sich zunächst verstärken dürfte.

Kommen wir zurück zu der Frage "Mit welchen Preistrends kann man zur Ernte 2014 rechnen?" Nach meiner persönlichen Einschätzung dürfte der Korrekturspielraum nach unten nur sehr begrenzt ausfallen.

Temperaturen in den USA


Zwar ist der Aufwärtstrend an den Börsen labil, aber immerhin noch aktiv. Getragen wird die das Kursniveau derzeit allerdings vor allem durch US-Faktoren: die Aussaatverzögerungen bei Mais und Sommergetreide, zu viel Regen und Kälte im "Mittleren Westen" der USA und das zunehmend besorgniserregende Niederschlagsdefizit im den "Südlichen Ebenen", wo erste Trockenschäden zu beobachten sind. An dieser Situation soll sich auch in den kommenden Tagen wenig ändern.

Für Australien prognostizieren die Meteorologen nicht nur für die besser mit Regen versorgten Böden im Osten des Kontinents, sondern auch für die Anbaugebiete mit hohem Niederschlagsdefizit im Süden Regen. Auch für die Schwarzmeerregion sind bis zum Ende der Woche stärkere Niederschläge vorhergesagt. In der nächsten Woche werden aber bereits wieder trockenes Wetter und steigende Temperaturen erwartet.

Szenario 1: Entspannung an der Wetterfront
Sollten sich die Anbauprobleme auch in den USA entspannen, gehe ich persönlich davon aus, das sich der latente Preisdruck verstärkt und der November-Termin an der Börse bis zur Ernte bei Brotweizen auf 180 Euro/t abbröckeln könnte. Damit würden auch die Preise am Kassamarkt in das Fahrwasser des Abwärtssogs geraten. Der erwartete Rückgang der globalen Rapsproduktion und die anhaltend hohe Nachfrage dürften den Preisdruck am Rapsmarkt allerdings stark abmildern.

Szenario 2: Problemwetter und Produktionsrisiken
Doch es bestehen auch zahlreiche Risikofaktoren, die der optimistischen Angebots-Einschätzung noch einen Strich durch die Rechnung machen könnten. Hausse-Signale würden nicht nur von einer ungünstigen Wetterentwicklung ausgehen, sondern auch von einer Eskalation der Lage in Rußland und der Ukraine sowie der Entwicklung eines neuen El-Niño-Phänomens zu Beginne des zweiten Halbjahres 2014. Aus einer knapp bedarfsdeckenden Getreideernte könnte dann schnell eine Defiziternte werden. Sollte die globale Nachfrage nach Ölsaaten durch die die Belebung der Weltkonjunktur stärker als erwartet steigen, dürfte dies den Preisauftrieb verstärken.

Fazit: Die nächsten zwei Wochen werden darüber entscheiden, welche Richtung der Preistrend auf dem internationalen Parkett wie auch am Kassamarkt nehmen wird.

 
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