Börse: Kurssprung

S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 06.07.2012


Die gestrige Zinssenkung der Europäischen Zentralbank hat es nicht geschafft, mit Liquidität die Probleme in der Euro-Zone zu "ersäufen". Die Aktienmärkte drehten schnell wieder ins Minus. Für die Investoren war das ein klares Signal, sich den Hausse-Phantasien an den Agrarrohstoffmärkten zuzuwenden.

 

Devisen & Konjunktur
Nacheinander gaben die Notenbanken von China, Großbritannien und der Euro-Zone gestern Lockerungen der Geldpolitik bekannt. Die EZB senkte den Leitzins auf einen historischen Tiefstand ab.
Der Rat der EZB hat gestern mittag beschlossen, den Leitzinssatz von 1 Prozent auf jetzt 0,75 Prozent herabzusetzen. Es ist das erste Mal seit Gründung der Europäischen Währungsunion, daß der Leitzins weniger als 1 Prozent beträgt. Begründet haben Europas Währungshüter die historische Zinssenkung mit dem Kampf gegen eine drohende Vertiefung der Rezession.

Spanien und Italien könnte die Zinssenkung zwar kurzfristig Luft verschaffen. Denn niedrige Zinsen verbilligen Kredite, so daß tendenziell mit einer Zunahme der Investitionen und des Konsums gerechnet werden kann. Damit kurbeln niedrige Zinsen üblicherweise zwar die Konjunktur an. Doch zugleich befeuern sie auch die Inflation.

Nach der Leitzinssenkung in Euro-Land geriet der Euro erwartungsgemäß unter Druck und der US-Dollar gewann an Stärke. Gestern wurde der Euro-Referenzkurs von der Europäischen Zentralbank (EZB) mit 1,2426 US-Dollar schwächer als am Vortag festgesetzt.
Die begrenzten Kursverluste nach den gestrigen geldpolitischen Maßnahmen der EZB dürften sich heute weiter fortsetzen.

 

Energie
Auch die Ölmärkte gerieten in das Fahrwasser der Leitzinssenkung in der Euro-Zone. Die Ölpreise gaben spürbar nach.
Ein Barrel (1 Faß = 159 Liter) der US-amerikanischen Referenzsorte West Texas Intermediate (WTI) zur Auslieferung im August fiel gestern mit 87,22 Dollar leicht zurück. Nordsee-Rohöl der Sorte Brent zur August-Fälligkeit wurde gestern mit 100,70 Dollar auf etwas höherem Niveau notiert.

Heute im frühen Handel geben die Ölpreise tendenziell weiter nach.

 

Agrarrohstoffe
An den Agrarrohstoffbörsen schnellten die Kurse gestern weiter steil in die Höhe. Nachdem weder die Aktien noch die Devisenmärkte den Börsianer derzeit richtig Spaß machen, bieten die fundamentalen Daten am Agrarmarkt und der noch ungebrochene Hausse-Trend an den Börsen Raum für hochfliegende Preisphantasien. Agrarrohstoffe liegen bei den Investoren wieder voll im Trend.

Eine echte Entspannung bei den Witterungsproblemen in den USA ist in den nächsten Tagen nicht in Sicht. Die Ernteerträge in den frühen Gebieten Osteuropas enttäuschen und hierzulande sorgen beinahe tägliche Regengüsse dafür, daß sich der Erntestart verzögert.
(Siehe hierzu auch: "Getreide: Märkte im Hausse-Fieber".)

Kein Wunder, daß die Kurse an den europäischen Agrarrohstoff-Börsen im Laufe des Tages regelrecht explodierten. Die Schlußnotierungen wurden kräftig nach oben gesetzt. In Paris stand der November-Termin bei Weizen erneut mit stattlichen +6,25 Euro/t, bei Mais der November-Termin mit +9,00 Euro/t und bei Braugerste der August-Termin mit +8,75 Euro/t kräftig im Plus. Und auch bei Rapssaat wurde der Front-Termin - trotz fehlender Impulse vom Ölmarkt - um +8,00 Euro/t höher notierte.
Im späteren Handel an den US-Börsen gewann der Kursanstieg gestern noch zusätzlich an Fahrt.

 

Ausblick
Das Mais- und Soja-Anbauland USA trocknet immer weiter aus. Auch für die nächsten 6-10 Tage prognostizieren die US-Wetterdienste keine signifikanten Niederschläge. Auch in den wichtigen Anbaugebieten des Mittleren Westens soll die Bodenfeuchte weiter abnehmen. Auch im sogenannten "Mais-Gürtel" wird das Niederschlagsdefizit immer größer.

Nachdem die Hitzewelle in Osteuropa bereits zu Ertragsdepression geführt hat, fehlt jetzt auch in späteren Erntegebieten der Regen. In den nördlichen Anbauländern der EU haben sich die Feldbestände zumeist gut erholt. Die schwül-warme Witterung verzögert nicht nur die Ernte, sondern läßt auch Sorgen über die Erntequalität aufkommen.

Auch am Kassamarkt haben die Preise inzwischen einen Sprung nach oben gemacht. Innerhalb weniger Tage schnellten die Erzeugerpreise am Weizenmarkt um rund 13 % in die Höhe. Auch bei Gerste, Rapssaat und anderen Kulturen liegen die Preisgebote inzwischen auf deutlich höherem Niveau (siehe auch Beitrag: "Getreide: Märkte im Hausse-Fieber" vom 05.07.2012).

Für den heutigen Tag erwarte ich persönlich, daß an den Börsen viele Marktteilnehmer zunächst Kursgewinne mitnehmen werden. Ich halte daher Kurskorrekturen nach unten für denkbar - trotz des aktuuell noch ungebrochenen Hausse-Trends.

 
 
 


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