Börse am Vortag: Bestätigung der Knappheitsthesen

S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 13.07.2011


In den letzten Tagen wurde befürchtet, daß die Welt-Produktion bei Weizen, Mais & Co größer ausfallen könnte, als bisher erwartet. Die gestern veröffentlichte Juli-Prognose des US-Landwirtschaftministeriums sorgte stattdessen für Kursanstiege, denn die US-Analysten bestätigen den Rückgang der Welt-Lagerbestände.

 

Devisen & Konjunktur
Die Euro-Zone "ver-ramscht". Das jedenfalls signalisieren die Bewertungen der Rating-Agenturen. Jetzt hat die Ratingagentur Moody's mit Irland das dritte Euro-Land auf "Ramschstatus" herabgestuft. Die EU-Schuldenkrise geht auf Raten weiter. Die Konsequenzen sind teuer: "Ramsch-Staaten" können sich nur noch zu hohen Zinssätzen am Markt refinanzieren. Höhe Zinslasten zehren die Erfolge der massiven Sparprogramme wieder auf.

Auch die USA konnten sich bisher nicht aus der Schuldenfalle befreien. Auch jenseits des Atlantiks zeigt die Bilanz tiefrote Zahlen: Im Jahr 2010 betrug die Gesamtverschuldung der USA noch 55 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP). In diesem Jahr könnten es erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg 100 % werden. Deutschland kommt auf eine Verschuldungsquote von gut 80 %.

Die Attacken der Rating-Agenturen und des Kapitalmarktes brachten gestern den Euro weiter unter Druck. Der Euro-Referenzkurs wurde gestern von der Europäischen Zentralbank (EZB) mit 1,3975 US-Dollar niedriger als am Vortag festgesetzt. Heute im frühen Handel wird der Euro um der Marke von 1,40 US-Dollar gehandelt.

 

Energie
Den Ölmarkt bewegen derzeit zwei Fakturen: Die Euro-Schuldenkrise, die schwache US-Konjunktur und der wieder stärkere Dollarkurs. Gestern zogen die Rohölkurse wieder leicht an. .

Zum gestrigen Handelsschluß wurde ein Barrel (1 Faß = 159 Liter) der US-amerikanischen Referenzsorte West Texas Intermediate (WTI) zur Auslieferung im August gestern mit 97,43 Dollar etwas höher als am Vortag notiert. Nordsee-Rohöl der Sorte Brent wurde mit 117,75 Dollar festgesetzt. Heute im frühen Handel geben die Kurse wieder nach.

 

Agrarrohstoffe
Gestern warteten viele Marktbeteiligte zunächst die neue Juli-Prognose des US-Landwirtschaftsministeriums ab, - jedoch ohne daß große Überraschungen erwartet wurden. Doch dann entpuppten sich die neuen US-Zahlen als Hausse-trächtiger als erwartet. Weiter schrumpfende Endbestände bei Getreide und Ölsaaten sorgten für gute Laune und - teilweise - für eine Kurserholung an den Börsen.

An der Börse in Paris gab Weizen seine Vortagesgewinne wieder ab. Der Front-Termin bei Paris-Weizen notierte gestern +0,50 Euro/t höher. Die späteren Termine schlossen zwischen "unverändert" und +1,75 Euro.
Auch an den US-amerikanischen Warenterminmärkten ging es es bei den Notierungen aufwärts. Die Prognose einer erneut defizitären Weizenernte und schrumpfender Lagervorräte - insbesondere bei den Hauptexporteuren - sorgten für eine Kurserholung.

An den europäischen Märkten schlossen die Notierungen bei Mais im Plus. Während der Front-Termin bei Paris-Mais +0,50 Euro höher schloß, zogen spätere Termine für die neue Ernte um bis zu +2,50 Euro/t an.
Auch Chicago-Mais konnte deutliche Gewinne erzielen, zumal sich die Überzeugung durchsetzt, daß mehr Mais als in den Statistiken ausgewiesen in den USA - Maisexporteur Nr.1 am Weltmarkt - durch Kälte, Nässe, Trockenheit oder Überschwemmungen geschädigt sein könnten.

An den europäischen Börsen folgte Rapssaat weiter den negativen Vorgaben des Rohölmarktes und besseren Ernteerwartungen für Osteuropa. Paris-Raps notierte am Handelsschluß mit 452,75 Euro/t für den August-Termin und verlor -4,50 Euro/t zum Vortag.

Der Soja-Komplex drehte stärker ins Plus. Die US-Prognose weist einen weiter steigenden Verbrauch und damit eine defizitäre Produktion aus. Die Aussicht auf schrumpfende Endbestände ließ die Preise für Sojabohnen-, Sojaschrot und Sojaöl an den transatlantischen Börsen mit Kursgewinnen schließen.

Bei Paris-Braugerste wurde die Schlußnotierung für die August-Fälligkeit mit 235,50 Euro/t im Vergleich zum Vortag höher notiert.

 

Ausblick
Die Interpretation der neuen US-Zahlen zu Produktion, Verbrauch und Endbeständen untermauern die an den Märkten in der letzten Zeit weitverbreiteten Knappheitsthesen. Unstrittig ist, daß die Nachfrage nach Nahrungsmitteln weiter wächst und daß die Endbestände weiter schrumpfen. Von "Mangel" kann jedoch weiterhin keine Rede sein. Die knappere Versorgungslage dürfte dennoch dafür sorgen, daß die Agrarrohstoffpreise - auch an den Kassamärkten - vorerst ihr derzeit hohes Niveau trotz der laufenden Ernte weitgehend behauptern dürften.

Für den heutigen Handelstag erwarte ich persönlich - in Reaktion auf die gestrigen US-Zahlen - weitere leichte Kursgewinne bei Getreide. Für Rapssaat erwarte ich persönlich jedoch lediglich einen weitgehend unveränderten Kurstrend, da - trotz der defizitären Ernteerwartungen - weitere Marktfaktoren das Aufwärtspotential kurzfristig noch begrenzen dürften.

Ansonsten wirken weiterhin die gestern bereits erwähnten Marktfaktoren auf die Agrarrohstoffmärkte ein: Schuldenkrise, höhere Inflationsraten in vielen Ländern, regenbedingte Ernteunterbrechungen und Ernteschäden in der Ukraine, bessere Ernteerwartungen in Rußland, schwache Ernteerträge in der EU und vieles mehr.

 
 
 


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