Börse am Vortag: Rückkehr des Wettermarktes

S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 06.07.2011


Nach der Verkaufs-Orgie der Vorwoche lockten neue Rendite-Erwartungen die Investoren wieder in die Agrarrohstoffe. Die Befürchtung, daß Regen die Ernte in den USA und der Ukraine verzögern könnte, sorgen für Preisauftrieb.

 

Devisen & Konjunktur
Erneut ist der Euro gestern unter Druck geraten, nachdem die Ratingagentur Moody's die langfristigen Staatsanleihen von Portugal gleich um vier Stufen von "Baa1" auf "Ba2" und damit auf "Ramsch"-Niveau abgestuft hat. Ungeachtet der portugisischen Sparpakete betonte Moody's zudem, daß weitere Herabstufungen nicht auszuschließen sein.

Der US-Dollar profitierte von der neuerlichen Negativbewertung eines Euro-Zonen-Mitgliedes, obwohl sich am Kapitalmarkt allmählich die Überzeugung verhärtet, daß die EZB den Leitzins von derzeit 1,25 % auf 1,5 % erhöhen wird.

Der Euro-Referenzkurs wurde gestern von der Europäischen Zentralbank (EZB) mit 1,4461 US-Dollar etwas niedriger als am Vortag festgesetzt. Heute im frühen Handel wird der Euro wieder etwas höher gehandelt.

 

Energie
In sommerlicher Lethargie verlief das gestrige Geschäft an den Börsen in ruhigen Bahnen. Daher sorgte die Kurserholung des US-Dollars zunächst für Kursverluste bei Rohöl. Für Preisdruck sorgten auch die derzeitigen Verhandlungen über eine politische Lösung der Libyen-Krise.

Zum gestrigen Handelsschluß wurde ein Barrel (1 Faß = 159 Liter) der US-amerikanischen Referenzsorte West Texas Intermediate (WTI) zur Auslieferung im August gestern mit 94,97 Dollar unwesentlich höher als am Vortag notiert. Nordsee-Rohöl der Sorte Brent wurde mit 111,39 Dollar festgesetzt.

Nach dem Unabhängigkeits-Feiertag in den USA am Montag wird die Veröffentlichung der wöchentlichen US-Lagerbestands-Daten der US-Energiebehörde erst am Donnerstag erwartet.

 

Agrarrohstoffe
Wie erwartet zogen die Kurse an den Agrarrohstoff-Börsen gestern weiter an. Getragen von einer positiven Stimmung und der Spekulation auf einen neuen Wettermarkt ging konnten Weizen, Raps & Co. einen weiteren Tag in Folge Verluste teilweise wieder wett machen. Nach der Verkaufs-Orgie der Vorwoche lockten neue Rendite-Erwartungen die Investoren wieder in die Agrarrohstoffe.

An der Börse in Paris zog Weizen nach dem viel zu drastischen Kursabsturz in der Vorwoche weiter an. Der Front-Termin bei Paris-Weizen notierte gestern nochmals +4,50 Euro/t höher. Die späteren Termine schlossen im Plus zwischen +4,50 und +5,75 Euro.
An den US-amerikanischen Warenterminmärkten konnten sich die Notierungen ebenfalls deutlich erholen.

An den europäischen Märkten zogen die Notierungen bei Mais ebenfalls weiter an. Der Front-Termin bei Paris-Mais zog nach den Vorwochenverlusten wieder um +1,75 Euro an. Spätere Termine notierten zwischen +0,00 und +3,50 Euro/t.
Der Front-Termin bei Chicago-Mais notierte umgerechnet rund 11 Euro/t über dem Vortagesniveau.

Angesicht der defizitären europäischen Ernteaussichten für 2011/12 folgte Rapssaat seinem Aufwärtstrend. Paris-Raps notierte am Handelsschluß mit 451,25 Euro/t für den August-Termin und gewann nochmals +7,25 Euro/t zum Vortag.

Der Soja-Komplex profitierte von dem freundlichen Marktumfeld. Die besser bewerteten US-Sojabestände ließen bei Sojabohnen jedoch nur begrenzte Preisbewegungen nach oben zu. Die Sojaschrot-Preise an den transatlantischen Börsen schlossen nur unwesentlich höher, während Sojasöl sogar leichte Kursverluste verbuchte.

Bei Paris-Braugerste wurde die Schlußnotierung für die August-Fälligkeit mit 229,75 Euro/t im Vergleich zum Vortag höher notiert.

 

Ausblick
Ich bleibe bei meinen bereits gestern dargestellten Markterwartungen:
Für den heutigen Handelstag erwarte ich persönlich, daß die Stimmung an den Börsen positiv bleibt. Der höchst unterschiedliche Wetter-Mix in den wichtigen Anbauregionen rund um den Globus, die Versorgungsbilanzen und die zurückgenommenen Ernteaussichten dürften zunehmend Beachtung gewinnen.

Noch bereiten die regenbedingten Ernteunterbrechungen in der Ukraine und im Westen Rußlands noch keine großen Sorgen. Da inzwischen das zu erwartende Exportpotential aus Osteuropa etwas vorsichtiger beurteilt wird und zudem die Wetterprognosen pür die kommenden Tage weiteren Regen in der Ukraine vorhersagen, steigt derzeit die Risikoprämie. Verunsicherung über den Erntefortschritt schafft zudem die Regen-Prognose für die "Great Plains" (Große Ebenen) in den USA.

Doch die Investoren dürften dennoch vorsichtig bleiben. Für eine weitere moderate Preiserholung spricht, daß die Importnachfrage nach Agrarrohstoffen zu den derzeit niedrigeren Preisen höher ausfallen dürfte. Der Inflationsdruck in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern - vor allem auch bei Nahrungsmitteln - dürfte das internationale Handelsvolumen jedoch begrenzen. Die Schulden- und Konjunkturprobleme in vielen Ländern verstärken die Unsicherheit an den Märkten zusätzlich.

Sollten sich die aktuellen Ernteaussichten auf der Nordhalbkugel bestätigen, dürften die Preisbewegungen bei Weizen, Raps & Co. nach meiner persönlicher Einschätzung nach oben wie auch nach unten relativ begrenzt bleiben. Sollten sich jedoch doch weitere deutliche Ernteausfälle oder Qualitätseinbußen abzeichnen, rechne ich damit, daß die Kurse sprunghaft nach oben schnellen, da dann die Renditeaussichten an den Agrarrohstoff-Börsen wieder steigen.

 
 
 


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