Agrarboom: Aussichten zur Ernte 2011 und 2012

S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 09.02.2010


Ernteeinbußen im letzten Jahr und Knappheitsthesen bei Agrarrohstoffen haben die Preise für Getreide und Ölsaaten in den letzten Wochen in die Höhe getrieben. Inzwischen haben auch die Preisgebote für die Ernten 2011 und 2012 ein attraktives Niveau erreicht. Jetzt stellt sich die Frage, wann und wie verkauft werden soll.

Marktlage
Die Weizenpreise liegen inzwischen auf dem höchsten Niveau seit fast drei Jahren, allein seit der letzten Ernte haben sich die Preise mehr als verdoppelt. Bei Rapssaaten sieht die Situation ganz ähnlich aus. Mit Preisen von bis zu 515 Euro/t netto ließen sich Ende Januar Spitzenpreise erzielen. Seit der Ernte kletterten die Preise damit um 70 % in die Höhe.

Kein Wunder, daß derzeit heiß diskutiert wird, wie es an den Märkten weitergeht. Mit Argwohn erinnern sich viele Landwirte an die Preis-Hausse von 2006-2007, die in einen rasanten Preisabsturz mündete. Die aktuelle Situation erinnert frappierend an die damaligen Marktentwicklungen und doch präsentieren sich die fundamentalen Daten völlig anders.

Handelsbeschränkungen, politische Einflußnahme und die Veränderung von Verbrauchsgewohnheiten haben auch damals die Preise-Hausse bestimmt. Doch anders als damals bestehen derzeit noch veritable Vorräte in den Getreidelägern der Welt. Während damals die globalen Lagervorräte auf unter 120 Mio.t und damit einen Versorgungszeitraum von gut 2 Monate schrumpften, werden die aktuellen Vorräte mit rund 180 Mio.t und damit einem Versorgungszeitraum von über 3 Monaten angesetzt.

Von Knappheit kann daher derzeit aktuell noch keine Rede sein. Vielmehr ist die aktuielle Hausse geldpolitisch dominiert. Gute Konjunkturzahlen, die Kursrallye an den Rohstoffmärkten und die Teuerung bei Nahrungsmitteln in den Entwicklungs- und Schwellenländern machen Agrarrohstoffe auch für die Investoren am Kapitalmärkt wieder hochattraktiv. Steigende Rediteaussichten beflügeln den Risikoappetit der Anleger und befeuern die Hausse.

Davon profitieren an der Warenterminbörse MATIF, Paris zum Beispiel beim Weizen auch die Fälligkeitstermine zur Ernte 2011 und 2012. Gestern notierte die Fälligkeit August 2012 mit 228,00 Euro/t rund 14 Euro niedriger als der Termin August 2011.

 

Fakten
Während wachsende Renditeerwartungen die Börsenkurse erneut auf Höchststände treiben, haben sich auch am Kassamarkt die Preise für Weizen, Raps & Co. stark verteuert. Denn auch wenn die Lagerbestände aktuell deutlich über den Vorräten von vor drei Jahren liegen, so haben die Käufer in dieser Saison dennoch mit einer knappen Angebotslage zu kämpfen.

Die Produzenten haben einen Großteil der Ernte bereits vermarktet und spekulieren mit der restlichen Lagerware auf weiter steigende Kurse. Das Angebot an freier Ware fällt daher äußerst bescheiden aus, während die Nachfrage der Verarbeiter und Exporteure hoch ist.

In den letzten Wochen bestätigt sich, daß die Vorräte in der Landwirtschaft deutlich niedriger als zunächst erwartet liegen. Nach meiner Einschätzung dürften die noch frei verfügbaren Lagerbestände bei ca. 20 % der Weizen-Erntemenge liegen, während Rapssaat bis auf Restbestände weitgehend ausverkauft ist. Anders als in den Vorjahren steht der regen Nachfrage nur noch ein vergleichsweise kleines Angebot gegenüber.

Der stetige Bedarf der Mühlen, Futtermittelhersteller und Exporteure sorgt daher für eine äußerst feste Preistendenz. Die Teuerung bei Nahrungsmitteln in vielen Ländern der Welt haben in den letzten Monaten das Interesse an EU-Weizen und damit auch die EU-Preise steigen lassen. Zuletzt stieg die Nachfrage aus den politisch unruhigen Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens kräftig an.

 

Prognose - Ernte 2011 und 2012 im Focus
Die Ernteverluste und Qualitätseinbußen der letzten Monate sind längst am Markt eingepreist. Die Erwartung einer Rekord-Sojaernte in Brasilien und inzwischen wieder bessere Anbaubedingungen in Argentinien sorgen inzwischen bei Ölsaaten für latenten Preisdruck - insbesondere seitdem auch am Rohölmarkt das Krisenszenario verpufft.

Damit steigt derzeit auch das Risiko neuer Marktstörungen. Sollten die "schlechten" Nachrichten in den kommenden Tagen ausbleiben, gehe ich davon aus, daß es für Agrarrohstoffe zunächst keine weiteren Hausse-Argumente gibt. Ich persönlich erwarte unter diesen Bedingungen zunächst eine leichte Korrektur nach unten.

Dennoch dürften dann die Kurse am Weizenmarkt und vor allem auch der Rapssaatenmarkt auch nach einer leichten Abwärtskorrektur zunächst auf hohem Niveau bleiben. Sollte dies Korrekturphase jedoch länger anhalten, so besteht nach meiner Einschätzung aber auch das Risiko, daß sich Agrarrohstoffe von der allgemeinen Rohstoff-Hausse abkoppeln.

Ausschlaggebend für die Preise dürfte daher in den kommenden Wochen vor allem die weltweite Entwicklung der Konjunktur und damit die Entwicklung der weltweiten Importnachfrage sein. Für die Ernte 2012 ist bereits heute Absehbar, daß weltweit mit einer Ausweitung der Anbaufläche und der Steigerung der Anbauintensität und folglich unter normalen Witterungsverhältnissen mit einer steigenden globalen Ernte zu rechnen ist.

Sollte es jedoch im Laufe diese Jahres - ähnlich wie in 2010 - zu erneuten Produktionsausfällen bei den wichtigen Exporteuren kommen, so ist zu erwarten, daß die Preise "durch die Decke" gehen.

Fazit für die Ernten 2011 und 2012: Für die Produzenten steht derzeit nicht nur der Verkauf der Lagervorräte - sofern noch vorhanden -, im Focus. Aktuell sind bereits jetzt die betriebsindividuellen Entscheidungen zu fällen, wie und wann die Vermarktung der Ernte 2011 und 2012 erfolgen soll. Ex-Ernte-Verkauf, Einlagerung oder Vorkontrakt sind nur einige der denkbaren Varianten.

Ex-Ernte-Preise von 190 bis 215 Euro/t netto für B-Weizen, 160 bis 200 Euro/t für Futtergerste oder 410 bis 445 Euro/t für Rapssaat bieten aktuell eine attraktive Planungsbasis. Die Preisgebote für die Ernte 2012 etwas niedriger.

Grundlage der Verkaufsentscheidung sollten kaufmännische Gesichtspunkte - d.h. die Deckung der Produktionskosten, die Erzielung einer Gewinmarge und die Abwägung der Marktrisiken - sein.

 
 
 
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