Weizen: Stimmungsumschwung

S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 14.08.2008


Eigentlich senden die weltweiten Rekord-Erntemeldungen ein klares Signal aus: Das hohe Angebot bringt die Preise stark unter Druck. Dennoch: Seit Anfang dieser Woche scheint der Markt eine Trendwende einzuleiten. Zu wahren Kurssprüngen kam es gestern an den Warenterminmärkten.

Marktlage
In Europa bringen die Landwirte derzeit eine Getreideernte ein, die auf überdurchschnittlichem Niveau liegt: Mit 141 Mio.t wird die Weizenernte rund 17,4 % höher als im Vorjahr geschätzt. Das erwartet jedenfalls der interne Forschungsdienst der Europäischen Kommission. Der Branchenanalyst Strategie Grains prognostiziert 133,9 Mio.t und damit ein Plus von 20 %.

Weltweit wird eine neue Rekord-Weizenernte erwartet. Das amerikanische Landwirtschaftsministerium hat in seiner August-Prognose die globale Ernteschätzung weiter nach oben korrigiert und erwartet jetzt mit 671 Mio.t eine neue Welt-Rekordernte, die das Vorjahresergebnis um fast 10 % übersteigt.

In Rußland sollen die Mähdrescher 15 % mehr Weizen als 2007 dreschen. Für die Ukraine geht die US-Prognose von einem Plus von 58 % gegenüber dem Dürrejahr 2007 aus.

Die Aussichten auf eine komfortable Versorgungslage in Europa wie auch weltweit quittierte der Markt in den letzten Wochen mit herben Preisabschlägen für Weizen. Der wieder stärkere Kurs des US-Dollars verstärkte den Druck am Weizenmarkt.

Inzwischen liegen die Kurse allerdings auf einem Niveau, daß die großen Importländer als Käufer auf den Weltmarkt zurückruft. Mehrere Länder, darunter auch Ägypten, Pakistan und der Irak, nutzen inzwischen den wieder günstigen Einstandspreis, um ihre Bestände aufzustocken. Die stärkere Nachfrage verbessert nicht nur die Stimmung, sondern sorgt auch für Kursanstiege.

Unterstützt durch die wieder steigenden Kurse an den Rohöl-Märkten konnte Weizen an den internationalen Warenterminmärkten einen rasanten Kursanstieg verbuchen.

An der Warenterminbörse MATIF in Paris/Frankreich der November-Termin seit Mitte letzter Woche um fast 13 Euro/t auf zuletzt 196,50 Euro/t an. Der Januar-Termin notierte um knapp 14 Euro/t mit 197,75 Euro/t.

Aufwärts ging es auch bei den Kursen an der Warenterminbörse RMX in Hannover. Mit 188,70 Euro/t notierte der November-Termin rund 3 Euro/t höher als Ende letzter Woche.

Auch an der Warenterminbörse CBOT in Chicago/USA zogen die Kurse seit der letzten Wochen deutlich an. Der September-Termin des dort gehandelten Futterweizens zog um fast 28 Euro/t an. Gestern wurde der Settlement-Kurse mit umgerechnet 209,62 Euro/t im Limit up (höchstmöglicher täglicher Kursgewinn) notiert.

Brotweizen an der Warenterminbörse KCBT in Kansas/USA wurde für den September-Termin mit umgerechnet 218,50 Euro/t gehandelt. Damit zog der Kurs rund 30 Euro/t seit Mitte letzter Woche an.

Bei Futterweizen an der Warenterminbörse LIFFE in London geht seit Tagen ebenfalls aufwärts.

An den Kassamärkten hat sich der Aufwärtstrend noch nicht durchgesetzt. Der Fortgang der Ernte und die hohen Flächenerträge drückten den Kurs bisher immer weiter.

 

Prognose
In den nächsten Tagen dürfte sich entscheiden, wie es am Weizenmarkt weitergeht. Der Preisauftrieb des gestrigen Tages könnte durchaus der Auslöser für eine kleine Hausse-Welle sein. Die Kapitalanleger bekommen wieder mehr Lust, ihr Geld an den Warenterminbörsen zu investieren. Die international tätigen Importeure wollen die derzeit attraktiven Preise nutzen, um die leeren Lagerräume wieder aufzufüllen.

Zugleich halten sich die Produzenten mit Verkäufen zurück. Umfangreiche Erntemengen werden in der Hoffnung auf wieder steigende Preise eingelagert. Mit dem In Sichtweite rückenden Ende der Ernte wird das Angebot folglich deutlich zurückgehen.

Nach meiner Einschätzung dürfte sich die Kurserholung kurzfristig fortsetzen, da das Kaufinteresse an den Warenterminbörsen für den notwendigen Preisauftrieb sorgt.
Aktuell ziehen die Kurse an der Warenterminbörse MATIF, Paris im heutigen Vormittagshandel weiter an.

Dennoch sollte nicht aus den Augen verloren werden, daß
der Preisauftrieb deutlich schwächer ausfallen dürfte als zur selben Zeit des Vorjahres,
Investoren an den Terminmärkten Renditen sichern wollen und durch Verkäufe an den Terminmärkten Kursrückgänge auslösen, die sich bis zum Kassamarkt fortsetzten,
der Anstieg der Rohölnotierungen für einen Teil der Kursgewinne verantwortlich zeichnet.

 

 
 
 
Vorhergehende Beiträge
08.08.2008 Weizen: Kursanstieg am internationalen Markt
06.08.2008 Getreide: Talsohle erreicht?
26.06.2008 Ernte 2008: Erneut auf Hausse-Kurs
24.06.2008 Ernte 2008: Regen in Australien läßt die Kurse purzeln
23.06.2008 Ernte 2008: Start der Gerstenernte im hessischen Ried
18.06.2008 Ernte 2008: US-Fluten spülen Preise nach oben
16.06.2008 Ernte 2008: Countdown zur nächsten Hausse?
11.06.2008 Ernte 2008: Witterungsturbulenzen
20.05.2008 Weizen auf Korrekturkurs
20.02.2008 Weizen: Vorerst knapp - und dann ...?
   
 
 
 
 

Seitenanfang