Weizen: Super-Hausse
S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 13.10.2006


Ende September hieß es an dieser Stelle: "Die Vermarktungssaison 2006/07 verspricht spannend zu werden!". Und es ist spannend geworden. Denn jetzt geben Weizenpreise richtig Gas.

Marktlage
Die Weizenpreise am internationalen, europäischen und deutschen Markt schnellen derzeit regelrecht in die Höhe. Lagen die Preise für Brotweizen in Deutschland während der Ernte noch bei 104 Euro/t, so zogen die Kurse inzwischen um rund 21 % auf 126 Euro/t an. Produzenten, die noch über freie Ware verfügen, warten mit ihren Verkäufen in der Hoffnung auf weitere Preissteigerungen noch ab. Auf Handels- wie auf Verarbeiterebene wird die Marktentwicklung mit einer gewissen Fassungslosigkeit verfolgt.

Und das sind die Hausse-Faktoren:
kleinere Weizenernte in der EU als im Vorjahr (2006/07: 109 Mio.t, Vj: 115 Mio.t)
rückläufige Erwartungen für die globale Weizenproduktion (2006/07: 588 Mio.t, Vj: 618 Mio.t)
wachsendes globales Produktionsdefizit (2006/07: 19 Mio.t, Vj: 3 Mio.t)
Befürchtung eines Produktionseinbruch von möglicherweise 75 % in einigen südlichen Anbauregionen Australiens aufgrund der schlimmsten Dürre seit 1982 (2006/007: 16,4 Mio.t [Prognose vom 19.09.2006], Vj: 25 Mio.t)
anhaltendes Niederschlagsdefizit in Argentinien (div. Prognosen 2006/07: 11,6 - 13,25 Mio.t, Vj: 12,5 Mio.t)
Trockenheit in mehreren Regionen Südostasiens

In Deutschland beobachten die Marktbeteiligten die weitere Preisentwicklung. Zwar fällt das Angebot am Weizenmarkt inzwischen wieder etwas umfangreicher aus. Dennoch übersteigt die Nachfrage das Angebot, so daß die Kurse weiter anziehen.

Die Kursentwicklung an den Kassamärkten und den Warenterminmärkten verläuft zwischenzeitlich wieder parallel. Da die Verkäufer die Ware in der Hoffnung auf weitere Preisanhebungen zurückhalten, führt das knappe Angebot zu zusätzlichen Preissteigerungen. Zudem stützt die Erwartung guter Exportchancen für EU-Weizen am Weltmarkt die Preisentwicklung.

Nachdem die Kurse an der Warenterminbörse KCBT seit Anfang September wieder anzogen, folgen die Kurse an den europäischen Börsen Warenterminbörse RMX in Hannover und an der Warenterminbörse Matif in Paris der internationalen Hausse-Stimmung.

Die Großhandelspreise in Deutschland reagierten aufgrund des knappen Angebotes und der steigenden internationalen Preise mit höheren Kursen. So wurde Brotweizen an der Produktenbörse Mannheim mit 138-140 Euro/t rund 34 Euro höher bewertet als im Vorjahr. An der Produktenbörse Frankfurt notierte Brotweizen zuletzt mit 140-143 Euro/t rund 34 %, Qualitätsweizen mit 143-145 Euro/t rund 26 % über dem Vorjahresniveau. Auch an den anderen Produktenbörsen ziehen die Weizenpreise weiter an.

An den Kassamärkten folgten die Erzeugerpreise seit dem Erntestart den starken Hausse-Impulsen, wie zum Beispiel die Erlöse der Mitglieder des Realpreissystems CASH! zeigen.

 

Fakten

  • Welt: Produktionsdefizit
    Der Internationale Getreiderat (IGC) hat am 28.09.2006 seine Prognose des internationalen Weizen-Verbrauchs 2006/07 nochmals um 5 Mio.t auf 588 Mio.t zurückgenommen. Bei einem Verbrauch von jetzt nur noch 607 Mio.t würde die Welt-Weizenproduktion den Bedarf ein weiteres Jahr verfehlen. Das rechnerische Produktionsdefizit ist damit auf rund 19 Mio.t angestiegen.

    Vor allem geringere Ertragserwartungen auf der Südhalbkugel haben zu der kleineren Produktionsprognose geführt. Die starke Trockenheit in Australien, das anhaltende Niederschlagsdefizit in Argentinien und in Regionen Südostasiens lassen eine geringere globale Weizenernte 2006/07 erwarten.

    in Mio. t
    Produktion
    Verbrauch
    Endbestände
    Welt
    Welt
    Welt
    Haupt- exporteure
    2002/03
    566
    601
    165
    43
    2003/04
    556
    595
    125
    41
    2004/05
    629
    616
    138
    56
    2005/06
    618
    621
    135
    56
    2006/07 Prognose vom:

    24.05.2006

    601
    612
    118
    44

    28.06.2006

    605
    613
    121
    45

    26.07.2006

    596
    611
    118
    43
    24.08.2006
    593
    611
    117
    38
    28.09.2006
    588
    607
    116
    37
    Hauptexporteure: Argentinien, Australien, EU, Kanada, USA
    Quelle: IGC

    Die erwarteten Endbestände reichen für einen Zeitraum von 2,3 Monaten aus. Für die kommenden Jahre wird damit gerechnet, daß die Nachfrage aufgrund der rasant wachsenden Weltbevölkerung schneller steigen wird als die Produktion.
    Hausse-Tendenz

 

  • Bioethanol schafft zusätzlichen Bedarf
    Weg vom Rohöl - Mehr Energie aus nachwachsenen Rohstoffen: So lautet derzeit die Devise fast aller Staaten. Auch für Weizen eröffnet sich damit z.B. über den Bioethanolsektor ein neue Markt und damit eine zusätzliche Nachfrage. Zwar spielt die EU mit einem Produktionsanteil von nur 6 % bisher weltweit nur eine untergeordnete Rolle, doch derzeit werden die Produktionskapazitäten in der EU und in Deutschland rasant ausgebaut. Für Deutschland wird in diesem Jahr eine Bioethanol-Produktion in Höhe von 0,6 Mio. m³ (Vj.: 0,38) erwartet. Bis zum Jahr 2010 wird mit einem Ausbau der Produktion auf 1,36 Mio. m³ gerechnet.
    Hausse-Tendenz

 

Prognose
Seit Monaten war absehbar, was jetzt immer mehr in's Bewußtsein der Marktbeteiligten tritt: Weizen ist weltweit äußerst knapp verfügbar. Verstärkt durch die erwarteten zusätzlichen Produktionsausfälle in den Trockengebieten weltweit, ist zu befürchten, daß die Produktionsprognosen in der nächsten Zeit noch weiter nach unten revidiert werden müssen.

Inzwischen reagieren die Käufer weltweit auf das Versorgungsrisiko mit Preisanhebungen. Nach meiner persönlichen Einschätzung dürften die Kurse in den nächsten Wochen international weiter anziehen. Zu einer Entspannung könnte es lediglich dann kommen, wenn in Australien oder Argentinien ergiebige Regenfälle wieder zu einer - jedoch nur noch begrenzt möglichen - Verbesserung der Wachstumsbedingungen führen.

Trotz der etwas kleineren Ernte bleiben die EU und Deutschland auf Exporte angewiesen, um die eigenen Läger zu räumen. Trotz derzeit auf Schmalspur laufender Ausfuhren ist für den weiteren Saisonverlauf mit guten Exportaussichten zu rechnen.

Ich bleibe bei meinen Aussagen vom 27.09.2006 und erwarte für den deutschen Markt ab Mitte Oktober und im Januar Angebotsschübe, die kurzzeitig zu leichten Preisrücknahmen führen könnten. Mit Blick auf die noch vor uns liegenden Vermarktungsmonate gehe ich von weiterhin stiegenden Kursen an einem Verkäufermarkt aus.

Es bleibt dabei: Die Vermarktungssaison 2006/07 verspricht spannend zu bleiben!

 
 
 
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