GAP-Reform:
Kommission führt vereinfachte Regelung für staatliche Beihilfen im Agrarsektor ein
Dipl.-Ing. agr. S. Linker  sabine.linker@llh.hessen.de
Stand: 16.12.2003


Verwaltungsvereinfachung und eine wirksame
Überwachung der Agrarbeihilfen, ohne die Aufsichtsfunktion der Kommission zu schwächen - dies ist das Ziel einer Verordnung, die am 10.12.2003 von der EU-Kommission genehmigt wurde. Mit ihr können die Mitgliedstaaten verschiedene Arten staatlicher Beihilfen im Agrarsektor gewähren, ohne zuvor die Genehmigung der Kommission einholen zu müssen. Diese sogenannte Gruppenfreistellung soll die Umsetzung neuer Agrarbeihilfen beschleunigen, und so die Durchführung von einzelstaatlichen Programmen zur Verbesserung der Standards in den Bereichen Umwelt, Tierschutz und Hygiene im Agrarsektor erleichtern. Die neue Regelung sei kein Versuch einer Renationalisierung der Agrarbeihilfen, so die Kommission. Auch künftig sollen in der gesamten EU einheitliche Vorschriften für staatliche Beihilfen im Agrarsektor gelten.

Mit der neuen Verordnung wird die Vorprüfung einer breiten Palette staatlicher Beihilfemaßnahmen durch die Kommission abgeschafft, um den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zu geben, Beihilferegelungen sehr viel rascher einzuführen und damit auch rascher auf neue Herausforderungen zu reagieren, mit denen die Landwirte konfrontiert sind.

Zu den Neuerungen gehört, daß die Mitgliedstaaten für einzelbetriebliche Investitionen bis zu 55 % der entsprechenden Kosten übernehmen können. Für Investitionen zur Verbesserung der Tierschutz- und der Umweltbedingungen können Beihilfen von bis zu 75 % gewährt werden, ohne daß die Kommission zuvor unterrichtet werden muß.

Für Maßnahmen zur Förderung der Erzeugung und Vermarktung von Qualitätserzeugnissen kann ein Betrieb über drei Jahre insgesamt bis zu 100.000 € erhalten. Noch einmal der gleiche Betrag kann für technische Hilfe wie Beratungsdienste oder die Teilnahme an Messen und Ausstellungen gewährt werden.

Im Gegenzug zum Wegfall der Anmeldepflicht müssen die Mitgliedstaaten dann im weiteren Verlauf aussagekräftige Berichte über die Durchführung der Beihilfen vorlegen, damit die Kommission prüfen kann, ob die Bestimmungen der Verordnung eingehalten wurden.

Zur Gewährleistung der Transparenz werden alle freigestellten stattlichen Beihilfen im Internet veröffentlicht, bevor die Auszahlungen anlaufen. Auf diese Weise können alle Beteiligten sich ein genaues Bild machen.

Bei Beschwerden wegen eines mutmaßlichen Mißbrauchs des neuen Verfahrens kann die Kommission jederzeit eine Untersuchung in die Wege leiten.

Gruppenfreistellung
Die Verordnung sieht eine Gruppenfreistellung für bestimmte Arten staatlicher Beihilfen vor, die Landwirten und in der Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse tätigen Unternehmen gewährt werden und bestimmte Schwellenwerte nicht überschreiten. Dies bedeutet, daß die Mitgliedstaaten für diese Beihilfen von der Anmeldepflicht befreit sind. Die Verordnung gilt für staatliche Beihilfen zugunsten kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) im Agrarsektor.

In Anbetracht der Definition der KMU bis zu 250 Beschäftigte, bis zu 40 Mio. € Jahresumsatz oder eine Jahresbilanzsumme von 27 Mio. € - erfaßt sie nahezu alle Betriebe und Unternehmen des Agrarsektors.

 

Mehr Transparenz via Internet
Die Kommission führt außerdem einen neuen Transparenzstandard ein: Eine Kurzbeschreibung aller freigestellten staatlichen Beihilfen aus allen Mitgliedstaaten wird fünf Tage, bevor die Auszahlung der Beihilfe beginnt, im Internet veröffentlicht. Auf diese Weise können sich die Landwirte und die sonstigen Beteiligten ein genaues Bild von den staatlichen Beihilfemaßnahmen machen, die unter die Gruppenfreistellung fallen. Diese Maßnahme gewährleistet die Transparenz und einen Leistungsvergleich (Benchmarking), ohne schwerfälliges Anmelde- und Genehmigungsverfahren.

 

Inhalt der Verordnung
Folgende Beihilfen fallen unter die Verordnung, vorausgesetzt, die in der Verordnung aufgeführten Sonderbedingungen werden erfüllt:

  • Investitionsbeihilfen: Den Landwirten dürfen Investitionsbeihilfen in Höhe von bis zu 40 % der Investitionssumme gewährt werden. Dieser Satz darf in benachteiligten Gebieten auf 50 % steigen und bei Investitionen, die von Junglandwirten getätigt werden, um weitere 10 Prozentpunkte angehoben werden. Die Beihilfe darf nicht auf bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse beschränkt bleiben. So würde beispielsweise eine Beihilferegelung speziell für den Schweinefleischsektor nicht unter die Verordnung fallen. Die Landwirte können frei entscheiden, in welchem Sektor sie investieren wollen, solange es für die Erzeugnisse genügend Absatzmöglichkeiten gibt. Beihilfen für Investitionen, die zu einer Steigerung der Produktionskapazität führen, werden nur bis zu einem Steigerungssatz von 20 %, gemessen in Großvieheinheiten bzw. Hektar Anbaufläche, von der Anmeldepflicht freigestellt. Beihilfen in Höhe von bis zu 60 % - in benachteiligten Gebieten bis zu 75 % - dürfen zur Deckung der Kosten von Investitionen gewährt werden, die dem Schutz und der Verbesserung der Umwelt, der Verbesserung der Hygienebedingungen in der Tierproduktion oder der Verbesserung des Wohlergehens von Nutztieren dienen, insoweit diese Investitionen über die Mindest-EU-Anforderungen hinausgehen. Diese Beihilfen dürfen sogar auf bestimmte Erzeugnisse beschränkt werden.

  • Unternehmen, die in der Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse tätig sind, dürfen Investitionsbeihilfen in Höhe von bis zu 40 % erhalten; dieser Satz darf in Ziel-1-Regionen auf 50 % angehoben werden. Die Beihilfe darf nicht auf bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse beschränkt werden. Beispielsweise würde eine spezielle Beihilferegelung für den Milchsektor nicht unter die Verordnung fallen. Die Unternehmen können frei entscheiden, in welchem Sektor sie investieren wollen, solange es für die Erzeugnisse genügend Absatzmöglichkeiten gibt.

  • Beihilfen in Höhe von bis zu 100.000 € je Begünstigten über drei Jahre dürfen als Anreize für die Produktion und Vermarktung von Qualitätserzeugnissen gewährt werden; diese Kosten dürfen Ausgaben für Marktforschung u.ä., die Kosten für die Einführung von Qualitätssicherungssystemen sowie entsprechende Schulungsmaßnahmen, die Gebühren, die von anerkannten Zertifizierungsstellen für die Erstzertifizierung im Rahmen von Qualitätssicherungs- und ähnlichen Systemen erhoben werden, sowie die Kosten der von Dritten durchgeführten Kontrollen umfassen.

  • Startbeihilfen für Erzeugergemeinschaften oder -vereinigungen dürfen gewährt werden, wenn der Gesamtbetrag der Beihilfe 100.000 € nicht überschreitet und über fünf Jahre degressiv gestaffelt ist (100 % der zuschußfähigen Kosten im ersten Jahr, danach jährliche Absenkung um mindestens 20 Prozentpunkte).

  • Beihilfen in Höhe von bis zu 100.000 € je Begünstigten innerhalb von drei Jahren dürfen für die Bereitstellung technischer Hilfe im Agrarsektor gewährt werden. Hierzu gehören die Kosten für die Schulung und Ausbildung von Landwirten und landwirtschaftlichen Arbeitskräften, die Kosten für die Bereitstellung von Vertretungsdiensten, die Kosten für Beratungsdienste und die Kosten für die Organisation von bzw. die Teilnahme an Wettbewerben, Ausstellungen und Messen.

  • Beihilfen in Höhe von bis zu 100 % der Kosten für die Erhaltung von Kulturlandschaften und Gebäuden; diese Kosten dürfen einen angemessenen Ausgleich für die vom Landwirt selbst oder von seinen Arbeitskräften geleistete Arbeit bis zu einem Höchstsatz von 10.000 € jährlich einschließen.

  • Beihilfen dürfen auch für die Kosten von im öffentlichen Interesse durchgeführten Aussiedlungen betrieblicher Einrichtungen gewährt werden;

  • Für die Niederlassung von Junglandwirten darf eine Beihilfe von bis zu 30.000 € gewährt werden.

  • Beihilfen für den Vorruhestand von Landwirten dürfen gewährt werden, sofern die landwirtschaftliche Tätigkeit dauerhaft und endgültig aufgegeben wird.

  • Beihilfen zur Zahlung von Versicherungsprämien dürfen gewährt werden, wenn sie sich auf höchstens 80 % der Prämienkosten für Versicherungspolicen belaufen, die ausschließlich zur Deckung von Verlusten aufgrund von Wetterkatastrophen bestimmt sind, die Naturkatastrophen gleichgestellt werden können; dieser Satz sinkt auf 50 % der Prämienkosten, wenn die Versicherung auch sonstige witterungsbedingte Verluste und/oder durch Tierseuchen oder Pflanzenkrankheiten bedingte Verluste abdeckt.

  • Beihilfen von bis zu 100 % dürfen für die durch die Flurbereinigung tatsächlich entstandenen Rechts- und Verwaltungskosten gewährt werden.

  • Beihilfen für den Tierhaltungssektor dürfen bis zu einem Höchstsatz von 100 % der unmittelbar mit dem Anlegen und Führen von Zuchtbüchern zusammenhängenden Kosten gewährt werden; Gewährt werden dürfen außerdem Beihilfen bis zu einem Höchstsatz von 70 % der Kosten für Tests zur Bestimmung der genetischen Qualität oder der Leistungsmerkmale der Tiere, die von oder im Namen von Dritten durchgeführt werden, sowie Beihilfen bis zu einem Höchstsatz von 40 % der Kosten für Investitionen in Zuchtstationen und für die Einführung innovativer Zuchtverfahren oder -praktiken. Beihilfen von bis zu 100 % der Kosten von TSE-Tests mit einer Obergrenze von 40 € je zum Verzehr geschlachtetes Rind.

Die Ausgaben für freigestellte staatliche Beihilfen sind entweder im gleichen oder in geringerem Ausmaß förderfähig als im derzeitigen Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen im Agrarsektor vorgesehen.

Die neue Verordnung wird in Kürze im Amtsblatt veröffentlicht und tritt 20 Tage später in Kraft. Sie gilt bis Ende 2006.

Quelle: EU-Kommission 10.12.2003

 
 
 

Vorhergehende Beiträge
25.11.2003   Flächenstillegungssatz 2004 auf 5 % halbiert

 
 
 
 

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