Das Agrarrohstoff-Roulette dreht sich langsamer. Die Finanzjongleure verlieren die Witterung von Knappheit und steigen aus. Damit ist Weizen auch am Kassamarkt in den Abwärtssog geraten. Nur das dünne Angebot am Realmarkt begrenzt die Preisrückgänge. Welche Markttrends sind absehbar?
Marktlage
Beste Aussichten für eine große globale Weizenernte 2013/14 ließen die Rendite-Hoffnungen an den Börsen schwinden und die Notierungen beständig abrutschen. An der Warenterminbörse in Paris (Matif) summieren sich die Kursverluste seit Anfang November 2013 für den März-Termins auf rund 11 %. Der November 2013-Termin rutschte um 13 % ab.
Zuletzt gerieten auch die Kassamarkt-Preise in den Abwärtssog. Mit einem Preisrückgang von bisher nur 4 % sind die Kurse seit dem Preisgipfel Mitte Dezember bisher allerdings nur vergleichsweise geringfügig abgebröckelt.
Daß der Kursrückgang an den Börsen jedoch nicht dauerhaft ohne Wirkung auf den Kassamarkt bleiben kann, das verdeutlicht auch das nachfolgende Diagramm. Bis Mitte Dezember liefen die Kassamarktkurse den Börsenvorgaben hinterher. Doch seitdem erzielt Weizen im physischen Geschäft kräftige Preisaufschläge "über Matif". Mit Prämien bis zu 25 Euro/t "über Matif" versuchten Käufer bei promptem Bedarf, Ware aus dem Lager zu locken. Denn der Fehlbedarf läßt sich - anders als in den Vorjahren - nur sehr begrenzt mit Ware aus Osteuropa decken.
Bessere Wetteraussichten für die Maisernte in Südamerika und global höhere Anbauerwartungen bei Weizen verschärften in der letzten Woche den Preisdruck an den Börsen für die Fälligkeiten November 2013 und November 2014.
Auch an der Warenterminbörse in Chicago, USA (Futterweizenqualität) oder an der Warenterminbörse in Kansas, USA (Brotweizenqualität) ging es um rund 6,5 % rückwärts, nachdem sich immer mehr Firmen und große Fonds das Interesse an der Spekulation mit Rohstoffen verlieren.
Fakten
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Welt: Ausstieg aus Rohstoff-Investments - trotz enger Versorgungsbilanz
Immer mehr Investoren an den Börsen verlieren das Interesse an der Spekulation mit Agrarrohstoffen. Einer der Gründe ist, daß sich die Witterung von Knappheit allmählich verliert und damit die Rendite-Hoffnungen schwinden.
Ein anderer Grund ist, daß nicht nur in den USA eine schärfere Regulierung der Börsengeschäfte droht, die diese Investments komplizierter und teurer macht. Der Rückzug großer institutioneller Anleger stellt jetzt den Markt auf den Kopf.
Daß 2012/13 eine Defiziternte in die Lagerhäuser gefahren wurde, ist seit langem an den Märkten eingepreist. Daß die globalen Lagerbestände schrumpfen, daran hat man sich gewöhnt. Auch die begrenzten Exportmöglichkeiten wichtiger Exportländer haben ihre Hausse-Wirkung verloren.
in
Mio. t |
Weizen |
Produktion |
Verbrauch |
Endbestände |
Welt |
EU-27 |
Welt |
Welt |
EU-27 |
2007/08 |
611,9 |
120,1 |
511,8 |
128,1 |
12,4 |
2008/09 |
682,8 |
151,1 |
515,5 |
167,6 |
19,9 |
2009/10 |
686,6 |
138,8 |
530,1 |
200,3 |
16,2 |
2010/11 |
652,2 |
136,0 |
537,9 |
197,8 |
11,8 |
2011/12 |
696,4 |
137,2 |
542,2 |
195,8 |
12,3 |
2012/13 Prognose vom: |
11.01.2013 |
654,3 |
131,7 |
673,5 |
176,6 |
10,0 |
11.01.2013 |
653,6 |
131,7 |
673,4 |
176,7 |
10,0 |
Quelle:
USDA |
Nicht nur weltweit, sondern auch in der EU schrumpfen die Lagervorräte deutlich. In der EU schmelzen die Bestände noch unter das niedrige Niveau des Hausse-Jahres 2007/08 ab.
Baisse-Tendenz
Prognose
Erst sind die Börsenkurse auf die abschüssige Bahn geraten. Dann zeigten sich auch am Kassamarkt deutlichere Bremsspuren.
Dennoch gehe ich persönlich davon aus, daß sich die Weizenkurse in den kommenden Wochen noch einmal leicht stabilisieren könnten. Einerseits sorgt nur der wieder flotter laufende Export von US-Weizen für grüne Zahlen im Börsenhandel und verzögert damit den Börsenausstieg der Spekulanten an den US-Märkten.
Andererseits bleiben zahlreiche Produktions- und Versorgungsrisiken:
• In weiten Regionen der US-Weizenanbaugebiete ist es noch immer viel zu trocken.
• Regional sind die US-Winteraussaaten vertrocknet, Die Vegetationsbedingungen für 2013
sind noch unklar.
• In Rußland werden 10,5 % der Wintergetreideaussaaten als schlecht eingestuft (Ø 9 %).
• Wichtige Exportländer wie Australien, Rußland oder Argentinien verfügen über weniger Exportware.
• Das Ausweichen auf preisgünstigeren Mais im Futtertrog begrenzt den Preisdruck
im Futtergetreidemarkt.
Dennoch: Die Anzeichen für eine weitere Abkühlung im Börsenhandel mehren sich. Im April 2012 zum Beispiel hielten Investoren 225.869 Weizen-Kontrakte in Chicago. Ein Rekord. Jetzt ist die Zahl auf 144.487 "Chicago- Weizen"-Kontrakte gesunken, der tiefste Stand seit mehreren Jahren.
Tip - Ernte 2013 und 2014:
Das vergleichsweise hohe Preisniveau bietet unter kaufmännischen Gesichtspunkten gute Rendite-Chancen vom Acker. Nicht nur der Verkauf der Ernte 2012, sondern auch die Vermarktung der kommenden Ernten - 2013 und 2014 - sollte geplant werden.