Speisekartoffeln:
Mit Volldampf in die Verlustzone
Dipl.-Ing. agr. S. Linker  sabine.linker@llh.hessen.de
Stand: 28.09.2004


Heulen und Zähneklappern ist derzeit bei den Kartoffel-Produzenten angesagt. Bei Preisen unter 3 € je 100 kg legen die Landwirte bares Geld 'drauf.

Marktlage
Nachdem die Frühkartoffel-Saison 2004 den Markteinstieg zu hohen und stabilen Preisen geschafft hatte, sind die Kartoffel-Kurse während der Haupternte der mittelspäten und späten Sorten regelrecht abgestürtzt.

Die Gründe für den Preisverfall sind vielfältig: Frühzeitig kündigte sich in Deutschland und anderen EU-Ländern eine hohe Erntemenge an. Dennoch erreicht die Ernte 2004 nicht das Rekordniveau der Jahre 1999 und 2000. Die Lage wurde vor allem durch eine nicht verbrauchsorientierte, das heißt zu umfangreiche Marktbeschickung seitens der Landwirtschaft drastisch verschärft.

Inzwischen ist der Preis auf unter 3 €/100 kg abgesackt. Regional lag der Preis sogar zeitweise bei 2 €/100 kg. Damit deckt der Marktwarenertrag derzeit nicht einmal 50 % der Produktionskosten. Die derzeitige Katastrophenstimmung wird zudem durch Super-Sonderangebote großer Discounter noch verstärkt.

Zudem stört der hohe Anteil an Übergrößen die Geschäfte der Packbetriebe und am Endverkaufsmarkt. Übermengen aus dem Anbau für die Verarbeitung und zusätzliche Mengen aus der Pflanzguterzeugung führen zu zusätzlichem Preisdruck..

Fakten

  • EU: Hohe Ernte, jedoch keine Rekordernte
    Für die EU-15 wird mit 45,3 Mio.t eine Erntemenge erwartet, die rund 11 % über dem Vorjahresergebnis liegt. Damit steht für die Saison 2004/05 ein umfangreiches Angebot zur Vermarktung an, das jedoch nicht die Rekordernten vergangener Jahre erreicht (1999: 48,3 Mio.t, 2000: 48,1 Mio.t).

  • Deutschland / Hessen: "normale" Ernte nach dem Dürrejahr 2004
    Für Deutschland wird die Ernte 2004 derzeit auf rund 12,3 Mio.t geschätzt und dürfte damit rund 25 % über dem außerordentlich schlechen Ergebnis des Dürrejahres 2003 liegen. Damit liegt die diesjaährige Ernte deutlich unter der Rekordernte von 2000 (13,19 Mio.t).



    Auch für Hessen werden höhere Erträge und damit höhere Produktionsmengen prognostiziert. Mit 0,21 Mio.t könnten die Ernte 2004 zum dritten Mal in Folge höher ausfallen. Die Rekordernten der Jahre 1999 (229.042 t) und 2000 (226.940 t) werden dennoch nicht erreicht.

  • Der Verbrauch an Frischkartoffeln sinkt weiter. Die Verbraucher greifen immer häufiger zu Pizza, Pasta und Fertiggerichten. Nachdem der Pro-Kopf-Verbrauch in den 50er Jahren noch bei 150 kg lag, ist der Gesamtbedarf inzwischen auf 67 kg Kartoffeln geschrumpft, wovon inzwischen lediglich 32,9 kg auf frische Kartoffeln entfallen.

Prognose
Richtig ist, daß die Ernte in Hessen, Deutschland und der EU höher ausfällt als im Vorjahr. Richtig ist auch, daß innerhalb weniger Erntewochen hohe Angebotsmengen auf einen nicht ausreichend aufnahmefähigen Markt trafen.

Dennoch fällt die Erntemenge 2004 nicht so umfangreich aus, daß dies einen völligen Marktzusammenbruch rechtferigen würde. Berücksichtigt man zudem den Bedarf der Stärkefabiken oder der Biogasanlagen, schmilzt der zu erwartenden Überhang auf Mengen zusammen, die durchaus am Markt plaziert werden können.

Nach meiner Einschätzung sollte Problemware (Sortierung, Qualitätsmängel usw.) nicht mehr in den Speisekartoffelsektor vermarktet werden, sondern den Markt über die Verfütterung oder die energetische Verwertung in Biogasanlagen entlasten. Qualitativ einwandfreie Ware sollte dagegen eingelagert werden. Die Erntedaten lassen die Hoffnung zu, daß die Kartoffelpreise in den kommenden Wochen doch noch ein höheres Niveau erreichen. Hierbei wird jedoch die Preisgestaltung der Discounter eine gewichtige Rolle spielen.
 
 
 

Vorhergehende Beiträge
13.10.2003   Speisekartoffeln: Dicke Knollen knapp am Markt

 
 
 

 

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