Weizen: Historische Baisse beendet?

Dipl.-Ing. agr. S. Linker  linker@kassel.hlrl.de Stand: 02.08.2000

 
Die Schönwetterfront der letzten Tage hat auch bei Weizen den Fortgang der Ernte beschleunigt. Die Qualitäten der bisher geernteten Partien laufen aufgrund der sehr unterschiedlichen Witterung im Frühjahr und Sommer weit auseinander. An den Markt ist bisher nur wenig Ware gelangt, da gute Ware der unterschiedlichen Qualitätsklassen häufig im Hoflager eingelagert wurde.

Die Preisfindung gestaltet sich auch in diesem Jahr problematisch, da noch Unklarheit darüber herrscht, wie hoch der Qualitäts- und Backweizenanteil ausfallen werden. So weist auch der Kassamarkt für Backweizen mit 19,50-22,00 DM/dt ganz erhebliche Preisspannen auf. Da sich die Erntesituation trotz der wenigen Sonnentage nicht entspannt hat, läuft der Handel an den europäischen Terminmärkten zunehmend lebhafter und ließ die Terminmarktpreise spürbar anziehen.

Marktlage
Seit drei Jahren übersteigt der weltweite Verbrauch von Weizen die Produktion. Ob man nun die Statistiken des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA), des Internationalen Getreiderates (IGC) oder der Welternährungsorganisation (FAO) zu Rate zieht, die Aussage ist letztendlich immer dieselbe: Trotz einer leicht höheren weltweiten Produktion wird der weltweite Verbauch stärker als bisher ansteigen, so daß die Endbestände in dritten Jahr infolge rückläufig sein dürften.

Seit Monaten mehren sich die Anzeichen dafür, daß Backqualitäten wieder zu einer attraktiven Handelsware am Weltmarkt werden dürften. So läuft auch der Export aus Interventionsbeständen in Drittländer seit Wochen auf Hochtouren. Die Interventionslagerhalter sind daher rege um "Nachschub" bemüht.

Die jüngste Baisse für Weizen setzte trotz der insgesamt erfreulichen Aussichten Mitte Juni ein - seitdem schossen die Kurse an den Warenterminmärkten geradezu in den Keller.

Erfreulicherweise und keinen Tag zu spät im Hinblick auf Vermarktung der laufenden Ernte hat sich die Situation am internationalen und EU-Markt in den letzten Tagen jedoch gewandelt. Weizen scheint sich mit dem Aufblühen des internationalen Handels aus dem Sog des Mais und Sojamarktes zu befreien.

Einer der Gründe ist die inzwischen wieder erster zu nehmende Trockenheit in den USA: Während weite Teile der USA in den letzten Wochen und Monaten gut mit Niederschlägen versorgt wurden, breitet sich im Süden, Südwesten, Mittleren Westen und den Rocky Mountains eine Dürre aus, die als die schliommste seit über 100 Jahren bezeichnet wird. Im Getreidegürtel der USA wird die Trockenheit in Kansas, Nebraska und Iowa bereits als ernst bezeichnet. Im Süden sollen Louisiana, Missouri, Alabama, Tennessee, Georgia sowie Nord- und Süd-Carolina seit langem auf ausreichende Niederschläge warten.

Prognose
Jetzt wird die nächste Prognose des USDA am 11.08.00 dringlich erwartet. Sollte die Ernteerwartung bei Weizen (und im Futtergetreidesektor alternativen Kulturen) nach unten korrigiert werden, ist auf internationalem Pakett mit dem Beginn einer neuen Hausse zu rechnen.

Die Erntemengen in Hessen, Deutschland und der EU fallen niedriger aus als erwartet, so daß die EU-Warenterminmärkte in London (Futterweizen), Paris (Exportweizen ohne Proteinbeschränkung) und Hannover (Backweizen) mit einer nach oben gerichteten Kursentwicklung reagieren.

Vor allem im Backweizensortiment wird eine zu geringe Versorgung befürchtet, so daß alles dafür spricht, gute Backweizenqualitäten zunächst zu parken, um spätere Preisverbesserungen beim Verkauf nutzen zu können

Anmerkung
Nach der jüngsten Prognose der Welternährungsorganisation (FAO) soll sich das weltweite Bevölkerungswachstum in den nächsten Jahren verlangsamen, während sich die Wachstumsrate der Weltagrarerzeugung spürbar geringer abschwächen wird.

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