Der Preisverfall an den Getreidemärkten der USA nimmt dramatische Dimensionen
an. Es war durchaus zu erwarten, dass saisonbedingt die ungewisse Höhe
der Maisernte den Weizenmarkt unter Druck setzen würde. Andererseits läßt
sich ein Preiseinbruch wie in der letzten Woche mit den fundamentalen
Daten nicht begründen.
Es sind vor allem die Spekulanten, die hoffen, an Baissegeschäften zu
verdienen und die mit ihren Marktengagements den Druck auf die Preise
enorm verschärfen. Trockenheitsbedingte Produktionseinbußen in den USA
spielen aufgrund der inzwischen fast überall wieder ausreichenden Niederschläge
nur noch eine untergeordnete Rolle.
Am 19.04.2000 empfahl HEMIS: "... Realität ist, dass saisonal die Kurse
im April/Mai einen letzten Anstieg zeigen, um danach im Vorfeld der Ernte
abzusacken. ... Kontrakte abschließen!". Und am 17.05.2000 hieß es: "Unter
normalen Bedingungen dürften sich die Weizenkurse in der zweiten Maihälfte
bis Mitte Juni abschwächen. ... Es könnte sich im Hinblick auf die zu
erwartende Rekordernte lohnen, zumindest einen Teil des Weizens per Termingeschäft
bereits jetzt zu verkaufen." Diese Prognose wurde vom Markt bestätigt.
Fakten Das amerikanische Landwirtschaftsministerium
(USDA) erwartete für die USA trotz der Ausdehnung der Anbaufläche eine
geringere Weizenernte als im Vorjahr. Für die nächste Prognose am 12.07.2000
geht man von einer nochmaligen (evt. erheblichen) Rücknahme der Ernteerwartungen
aus. Die Ernte in den USA ist ausgehend von den südlichen Staaten in vollem
Gang und liegt bisher deutlich unter den Ertragserwartungen.
Die trotzdem immer noch sehr hohe US-Ernte dürfte zudem für den zweitgrößten
Weizenexporteur am Weltmarkt kein Problem darstellen, da dürrebedingte
Ertragsausfälle in vielen Anbauregionen z.B. in China, Osteuropa und Indien
einen enormen Bedarf am Weltmarkt nach sich ziehen dürften. Die Wirtschaftskrisen
in den asiatischen und osteuropäischen Länder sind überwunden.
Warum also marschieren die US-Kurse dann unaufhaltsam in den Keller?
Weizen steht als Futtermittel in der Veredlung in direkter Konkurrenz
zu Mais. Daher wirken sich die Preisentwicklungen bei Mais z.Z. direkt
auf den Preistrend bei Weizen aus. Problematisch wird der Zusammenhang,
da die US-Maiserntefläche 4 % höher als im Vorjahr ausfällt und der Absatz
schleppender läuft.
Die Sogwirkung, die aus dieser US-Konstellation entspringt, erschüttert
die Weizenkurse weltweit. Weizen wird sich erst dann aus dieser Umklammerung
befreien können, wenn die tatsächlich zu erwartende Maisernte absehbar
ist.
Auch für die EU, den zweitgrößten Weizenproduzenten und die Nummer eins
der Weizenexporteure, hat die Preisentwicklung am Weltmarkt durchschlagende
Wirkung. Mit 96,596 Mio. t (Vj: 89,380 [Coceral 23.06.00]) ist für die
EU mit einer erheblich höheren Weichweizenernte als im letzten Jahr zu
rechnen. Bei einem solchen Produktionsvolumen kann letztendlich nur der
Export marktentlastend wirken.
Prognose Aus heutiger Sicht dürfte
sich der Markt wie folgt entwickeln:
Der Interventionspreis ist nicht mehr das Maß aller Dinge. Ausschlaggebend
sind die Exportaussichten vor dem Hintergrund des weltweiten Bedarf sowie
des Welthandelsvolumens.
Bei der Entscheidung für oder gegen eine Produktion spielen die
statistischen Angebots- und Nachfragedaten eine entscheidende Rolle.
Mit zunehmender Globalisierung der Produktmärkte wird der spekulative
Einfluß auf die Entwicklung der Kassapreise größer werden. Das bedeutet,
dass die Anbauentscheidung und Vermarktung der Ernte anderen Zeithorizonten
unterliegt als in der Vergangenheit.
Grundlage für Preisanstiege am Weizenmarkt ist die erwartete längerfristige
Perspektive am Weltmarkt. Ob USDA, IGC, FAO oder andere Analysten - sie
alle haben ihre Produktionserwartungen in den letzten Wochen und Monaten
laufend nach unten reduziert. Eine Verringerung des Angebotes führt nach
den Regeln des Marktes mittelfristig zu steigenden Preisen.
Betreiber von Interventionslägern und Exporteure sehen das sich
für die nächsten Monate ergebende Potential durchaus und sind bereits
kurz vor Erntestart rege um Verträge bemüht. Die Preise orientieren sich
daher zunehmend in Richtung Vorjahresniveau.
Die internationalen Daten und Exportaussichten sowie die erwartete
gute Nachfrage nach Backqualitäten innerhalb der EU arbeiten für die Erzeuger,
da aus heutiger Sicht mit anziehenden Preisen zu rechnen ist.
Fazit Trotz aller Unkenrufe weisen
die statistischen Daten ein enormes Exportpotential für Weizen auf, das
aufgrund der vielen Länder mit Ertragsausfällen zur Ernte 2000 besteht.
Betrachtet man alle Faktoren, so wird es weltweit keine Überversorgung
und noch nicht einmal ein "Plus-Minus-Null" geben, sondern eher Knappheit.
Doch wann und in welchem Umfang wird die Kehrtwende am Weizenmarkt einsetzen?
Der derzeitige gute Export führt zu einem Nachfragesog, der das Thema
Interventionspreissenkung aus der Diskussion verbannt hat. Ich erwarte,
dass bereits kurz vor Abschluß der Ernte die Preise anziehen werden und
das Preispotential erkennbar sein wird.
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