Erntebeginn 2000 - Erste Preisinfos
Dipl.-Ing. agr. S. Linker  linker@kassel.hlrl.de Stand: 11.07.2000

Der Preisverfall an den Getreidemärkten der USA nimmt dramatische Dimensionen an. Es war durchaus zu erwarten, dass saisonbedingt die ungewisse Höhe der Maisernte den Weizenmarkt unter Druck setzen würde. Andererseits läßt sich ein Preiseinbruch wie in der letzten Woche mit den fundamentalen Daten nicht begründen.

Es sind vor allem die Spekulanten, die hoffen, an Baissegeschäften zu verdienen und die mit ihren Marktengagements den Druck auf die Preise enorm verschärfen. Trockenheitsbedingte Produktionseinbußen in den USA spielen aufgrund der inzwischen fast überall wieder ausreichenden Niederschläge nur noch eine untergeordnete Rolle.

Am 19.04.2000 empfahl HEMIS: "... Realität ist, dass saisonal die Kurse im April/Mai einen letzten Anstieg zeigen, um danach im Vorfeld der Ernte abzusacken. ... Kontrakte abschließen!". Und am 17.05.2000 hieß es: "Unter normalen Bedingungen dürften sich die Weizenkurse in der zweiten Maihälfte bis Mitte Juni abschwächen. ... Es könnte sich im Hinblick auf die zu erwartende Rekordernte lohnen, zumindest einen Teil des Weizens per Termingeschäft bereits jetzt zu verkaufen." Diese Prognose wurde vom Markt bestätigt.

Fakten  Das amerikanische Landwirtschaftsministerium (USDA) erwartete für die USA trotz der Ausdehnung der Anbaufläche eine geringere Weizenernte als im Vorjahr. Für die nächste Prognose am 12.07.2000 geht man von einer nochmaligen (evt. erheblichen) Rücknahme der Ernteerwartungen aus. Die Ernte in den USA ist ausgehend von den südlichen Staaten in vollem Gang und liegt bisher deutlich unter den Ertragserwartungen.

Die trotzdem immer noch sehr hohe US-Ernte dürfte zudem für den zweitgrößten Weizenexporteur am Weltmarkt kein Problem darstellen, da dürrebedingte Ertragsausfälle in vielen Anbauregionen z.B. in China, Osteuropa und Indien einen enormen Bedarf am Weltmarkt nach sich ziehen dürften. Die Wirtschaftskrisen in den asiatischen und osteuropäischen Länder sind überwunden.

Warum also marschieren die US-Kurse dann unaufhaltsam in den Keller? Weizen steht als Futtermittel in der Veredlung in direkter Konkurrenz zu Mais. Daher wirken sich die Preisentwicklungen bei Mais z.Z. direkt auf den Preistrend bei Weizen aus. Problematisch wird der Zusammenhang, da die US-Maiserntefläche 4 % höher als im Vorjahr ausfällt und der Absatz schleppender läuft.

Die Sogwirkung, die aus dieser US-Konstellation entspringt, erschüttert die Weizenkurse weltweit. Weizen wird sich erst dann aus dieser Umklammerung befreien können, wenn die tatsächlich zu erwartende Maisernte absehbar ist.

Auch für die EU, den zweitgrößten Weizenproduzenten und die Nummer eins der Weizenexporteure, hat die Preisentwicklung am Weltmarkt durchschlagende Wirkung. Mit 96,596 Mio. t (Vj: 89,380 [Coceral 23.06.00]) ist für die EU mit einer erheblich höheren Weichweizenernte als im letzten Jahr zu rechnen. Bei einem solchen Produktionsvolumen kann letztendlich nur der Export marktentlastend wirken.

Prognose  Aus heutiger Sicht dürfte sich der Markt wie folgt entwickeln:

• Der Interventionspreis ist nicht mehr das Maß aller Dinge. Ausschlaggebend sind die Exportaussichten vor dem Hintergrund des weltweiten Bedarf sowie des Welthandelsvolumens.

• Bei der Entscheidung für oder gegen eine Produktion spielen die statistischen Angebots- und Nachfragedaten eine entscheidende Rolle.

• Mit zunehmender Globalisierung der Produktmärkte wird der spekulative Einfluß auf die Entwicklung der Kassapreise größer werden. Das bedeutet, dass die Anbauentscheidung und Vermarktung der Ernte anderen Zeithorizonten unterliegt als in der Vergangenheit.

• Grundlage für Preisanstiege am Weizenmarkt ist die erwartete längerfristige Perspektive am Weltmarkt. Ob USDA, IGC, FAO oder andere Analysten - sie alle haben ihre Produktionserwartungen in den letzten Wochen und Monaten laufend nach unten reduziert. Eine Verringerung des Angebotes führt nach den Regeln des Marktes mittelfristig zu steigenden Preisen.

• Betreiber von Interventionslägern und Exporteure sehen das sich für die nächsten Monate ergebende Potential durchaus und sind bereits kurz vor Erntestart rege um Verträge bemüht. Die Preise orientieren sich daher zunehmend in Richtung Vorjahresniveau.

• Die internationalen Daten und Exportaussichten sowie die erwartete gute Nachfrage nach Backqualitäten innerhalb der EU arbeiten für die Erzeuger, da aus heutiger Sicht mit anziehenden Preisen zu rechnen ist.

Fazit  Trotz aller Unkenrufe weisen die statistischen Daten ein enormes Exportpotential für Weizen auf, das aufgrund der vielen Länder mit Ertragsausfällen zur Ernte 2000 besteht. Betrachtet man alle Faktoren, so wird es weltweit keine Überversorgung und noch nicht einmal ein "Plus-Minus-Null" geben, sondern eher Knappheit.

Doch wann und in welchem Umfang wird die Kehrtwende am Weizenmarkt einsetzen? Der derzeitige gute Export führt zu einem Nachfragesog, der das Thema Interventionspreissenkung aus der Diskussion verbannt hat. Ich erwarte, dass bereits kurz vor Abschluß der Ernte die Preise anziehen werden und das Preispotential erkennbar sein wird.

Übersicht

 

Seitenanfang