Gewinnmitnahmen an den Ölbörsen bremsten die Hausse-Impulse der geopolitischen Risiken. Während der US-Dollar als klarer Sieger ins Wochenende ging, kamen die Ölpreise wieder leicht unter Druck. Sollte man jetzt die Diesel- und Heizöltanks zu füllen?
Marktlage
Nicht nur neue schwache Zahlen zum Arbeitsmarkt in den USA, dem weltweit größten Verbraucher von Rohöl, und neue Sorgen in der Euro-Zone sorgten Ende letzter Woche für Preisdruck. Der feste Dollar und ein Euro im Zweijahrestief sorgten für Gewinnmitnahmen an den Ölbörsen.
Doch insgesamt legten die Ölpreise letzte Woche zu, nachdem geopolitische Risiken zunehmend die Entscheidungen an den Ölmärkten bestimmen. Trotz starker Baisse-Signale wird die Liste der Hausse-Faktoren aktuell länger:
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Das Ölembargo der EU gegen den Iran ist letzte Woche in Kraft getreten. Die EU ist jetzt auf andere Ölexporteuerre angewiesen, die - marktwirtschaftlichen Regeln folgend - höhere Preise fordern.
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Die iranische Regierung erwägt offenbar als Reaktion auf die Sanktionen eine Schließung der Straße von Hormuz für sämtliche Schiffe aus Ländern, die die Sanktionen gegen den Iran unterstützen. Die Meerenge von Hormuz ist an der schmalsten Stelle etwa 50 Kilometer breit. Durch dieses Nadelöhr wird rund 40 % des weltweit auf Schiffen transportierten Öls verschifft. Die USA setzen angesichts der wachsenden Spannungen auf die militärische Aufrüstung in der Region.
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In Norwegen, immerhin achtgrößter Ölexporteur der Welt, eskaliert der Streik der Ölarbeiter. Die Verhandlungen mit den Arbeitgebern sind gescheitert. Jetzt erwägen die Ölkonzerne, die komplette Öl- und Gasförderung auf dem norwegischen Schelf in der Nacht zwischen Montag und Dienstag einzustellen.
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Am Markt sorgten die rückläufigen Lagerbestandszahlen in den USA für Diskussionsstoff. Das US-Energieministerium teilte letzte Woche mit, daß die Rohölbestände erstmals seit Wochen wieder spürbar gesunken seien. Mit einem Minus von 1,1 % fielen die Ölbestände deutlicher, als von Analysten erwartet wurde. |
Im Durchschnitt der letzten Woche wurde ein Barrel (1 Faß = 159 Liter) der US-amerikanischen Referenzsorte West Texas Intermediate (WTI) zur Auslieferung im August mit 86,15 Dollar mehr als 7 % über dem Vorwochendurchschnitt (80,29 Dollar) notiert. Auch Nordsee-Rohöl der Sorte Brent verteuerte sich im Wochendurchschnitt mit 99,34 Dollar um über 6 %.
Fakten
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USA: US-Lagerbestände trotz rückläufiger Vorräte weiter auf Rekordniveau
Nach den Statistiken des US-Energieministeriums verringerten sich die amerikanischen Lagerbestände an Rohöl in der Woche zum 29. Juni um 4,3 Mio. Barrel auf 382,9 Mio. Barrel. Die Lagerbestände
an Mitteldestillaten wie Diesel und leichtem Heizöl nahmen ebenfalls leicht um 1,1 Mio. Barrel auf 117,8 Mio. Barrel ab.
Dennoch kann von einer knappen Marktversorgung in den USA keine Rede sein. Die Bestände weisen einen deutlichen Überschuß bei Rohöl und - trotz rückläufiger Bestände - bei Mitteldestillaten aus.
Rohöl
US-Lagerbestände
Juli 2011 bis 29.06.2012
im Vergleich zum
mehrjährigen Durchschnitt |
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Destillate
US-Lagerbestände
Juli 2011 bis 29.06.2011
im Vergleich zum
mehrjährigen Durchschnitt |
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Die täglichen amerikanischen Rohölimporte fielen um 0,5 % auf 9,1 Mio. Barrel ab.
Die Kapazitätsauslastung der US-Raffinerien stieg dagegen auf stattliche 92,1 %, nach 91,9 % in der Vorwoche.
Baisse-Tendenz
Prognose
Von Knappheit kann am Ölmarkt weiterhin keine Rede sein. Die Tanks sind nicht nur in den USA randvoll. Auch in anderen Ländern ist die Versorgungssituation vergleichsweise komfortabel. Auch viele wichtige Export- oder Import-Nationen haben Bestände aufgebaut. Der Marktfaktor "Angebot" hat daher weiterhin Baisse-Potential.
Verstärkt wird dieses Baisse-Potential durch die Konjunkturschwäche in vielen Ländern. Das weltweite schwächere Wirtschaftswachstum läßt erwarten, daß die Öl-Nachfrage sogar noch weiter zurückgehen könnte, so daß sich der bereits jetzt bestehenden Angebotsüberschuß sogar noch vergrößern könnte.
Inzwischen hat sich der Preis für den Schmierstoff der Weltwirtschaft den konjunkturellen Realitäten zunehmend angepaßt. Nach meiner persönlichen Einschätzung dauert die Phase der Kurskorrektur bei Rohöl derzeit noch an. Doch das Abwärtspotential dürfte sehr begrenzt bleiben. Der Iran hat längst neue Käufer gefunden, und ob es zu dem angekündigten Produktionsstop in Norwegen kommt, ist durchaus fraglich.
Ich persönlich gehe davon aus, daß damit auch Diesel noch einmal in einen leichten Abwärtssog gerät. Dagegen dürften die Heizöl-Preise infolge der starken Nachfrage der letzten Wochen zunächst teuer bleiben.